Eine wichtige Aufgabe der Werkpräsentation bestand
darin, in sinnlich erfahrbarer Weise zum Ausdruck zu
bringen, inwieweit sich Scherer einerseits von den Ideen
Kirchners hatte anregen und beeinflussen lassen und wie
sehr es ihm andererseits gelungen war, einen eigenen und
von heute aus gesehen auch eigenständigen Weg einzu-
schlagen. Innerhalb der erneut aufgenommenen Diskus-
sion zur expressionistischen Plastik galt es, Scherer vom
Stigma des Kirchner-Schülers oder gar Kirchner-Epigonen
zu befreien.
Die Ausstellung fand einen sehr positiven Widerhall
sowohl in der Fachpresse wie auch bei einem breiten
Publikum, hier vor allen bei der Lehrerschaft sowie weite-
ren Kunst-Vermittlern. Auffällig war vor allem, wie viele
Betrachter sich zeichnend und skizzierend mit dem dreidi-
mensionalen Werk Scherers auseinandersetzten.
Der vom Schweizerischen Institut für Kunstwis-
senschaft betreute Katalog reproduzierte sämtliche
Plastiken und unterstützte deren wissenschaftliche Aufar-
beitung mit Kommentaren und zusätzlichen Bilddoku-
menten.
Comensoli
Die Eröffnung der Ausstellung Mario Comensoli hatte den
Charakter einer Volksabstimmung: über tausend Gäste un-
terstrichen den Wunsch, das Werk einer unverwechsel-
baren Persönlichkeit der Schweizer und Zürcher Kunst-
szene ım Museum «seiner» Stadt zu sehen. 1922 in Lugano
geboren, kam Comensoli 1945 nach Zürich, wo er seither in
auffälliger Distanz zum offiziellen Kunstbetrieb als ein
Vertreter des Realismus arbeitet. Immer versucht er, die
gesellschaftlichen Probleme der Zeit in eigentlichen Bild-
zyklen zu fassen, am gültigsten wohl in den «Lavoratori in
blu» der späten fünfziger Jahre. Über die Darstellung der
Vereinsamung des Menschen in der Grossstadt gelangte er
— jetzt in der Nähe der Pop-Art — zur Persiflierung der
Konsumgesellschaft, später zur kritischen Befragung des
68er-Aufstands, der Frauenbewegung und seit 1982 der «no
future»-Generation. Dieser jüngste Zyklus stand im
Zentrum der Ausstellung, durchsetzt mit Beispielen
früherer Phasen, um Kontinuität und Entwicklung seines
Schaffens deutlich zu machen. An dieser Gegenüberstel-
lung entzündete sich die Diskussion, ob es Comensoli
gelungen sei, das schwierige Thema der gefährdeten
Existenz Jugendlicher in den Randzonen der Gesellschaft
in einer seinen Arbeiterbildern entsprechenden Würde zu
gestalten. So fand eine nicht unumstrittene Präsentation
seines Werks mit einem Übergewicht neuerer Bilder jene
geteilte Aufnahme, die Comensoli innerhalb der Kunst-
welt schon immer erfahren hatte. Ein grosses, sozial enga-
giertes Publikum hingegen blieb dem Künstler treu, was
sich z.B. darin zeigte, dass der Katalog schon während der
Ausstellung ausverkauft war.
Video-Skulbtur: retrospektiv und aktuell 1963-1989
Aus dem vom Kölnischen Kunstverein realisierten, erstma-
ligen Überblick über ein Vierteljahrhundert internatio-
naler Videoskulptur konnten wir eine auf unsere spezifi-
sche Raumsituation im Erdgeschoss und im ersten Stock
des Altbaus zugeschnittene Auswahl treffen. In konzen-
trierter Form zeigten wir historisch wichtige Videoskulp-
turen der Pioniergeneration (Douglas Davis, Wolf Kahlen,
Les Levine und Nam June Paik), in denen man die durch
das Fernsehen entwickelten Sehgewohnheiten attackierte
und das Verhältnis zwischen Realität und Abbild reflek-
tierte, sowie die bereits klassischen Closed-circuit-Installa-
tionen vom Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre,
Räume, in denen eine Kamera aufzeichnet und dies auf
einem Monitor oder vom einem Projektor wiedergegeben
wird (Peter Campus, Dan Graham und Bruce Nauman).
Die Ausstellung umfasste weiterhin Videoinstallationen
der jüngeren Generation, die bereits mit dem Fernsehen
aufgewachsen ist und die neuen Technologien mit grosser
Selbstverständlichkeit einsetzt (Abramovic/Ulay, Klaus
vom Bruch, Alexander Hahn, Gary Hill, Dieter Kiessling,
Beryl Korot, Marcel Odenbach, Tony Oursler, Fabrizio
Plessi, Servaas und Bill Viola). Damit konnten einem
breiten Publikum die spezifischen Möglichkeiten und
Qualitäten dieses künstlerisch genutzten Mediums