Volltext: Jahresbericht 1994 (1994)

HINWEISE AUF 
EINIGE NEUERWERBUNGEN 
BERNARDO BELLOTTOS DIE RUINEN DER 
KREUZKIRCHE IN DRESDEN - EINE «ALLEGORIE 
REELLE» AUS DEM 18. JAHRHUNDERT 
Zwei Zerstörungen Dresdens markierten handgreiflich 
Anfang und Ende preussischer Gewaltspolitik. Die 
flächendeckende Vernichtung ziviler Siedlungen als nor- 
males Mittel der Kriegführung, wie es Hitler lautstark ein- 
führte und an Coventry vorexerzierte, brannte sich dem 
Bewusstsein der Zeitgenossen nirgends schmerzlicher ein 
als in der Dresdener Brandnacht vom 13.Februar 1945, als 
unter dem Bombenhagel die sächsische Hauptstadt mit 
35 000 Einwohnern und all ihren Monumenten in Schutt 
und Asche sank, die prächtigste unter den deutschen 
Barockresidenzen, deren Schönheit gerade dank der 
unvergleichlichen Serie der grossen Veduten Bellottos 
jedermann lebhaft vor Augen stand. 
Nicht weniger traumatisch wirkten im Zeitalter der 
Aufklärung die gezielt grausamen «Präventivschläge», mit 
denen Friedrich II. mittels der Kriegsmaschinerie seines 
zu Recht «Soldatenkönig» genannten Vaters seine Expan- 
sionspolitik betrieb, und insbesondere die Ruinierung des 
sächsischen Staates, der unter August dem Starken und 
Friedrich August II. zu einem der glänzendsten Höfe 
Europas aufgestiegen war. Was die Preussen zu viel, hat- 
ten die Sachsen zu wenig getan; die Vernachlässigung der 
Armee kam sie nun teuer zu stehen. Sogleich zu Beginn 
des Siebenjährigen Krieges wurde das Land besetzt, 
dieweil König und Hofstaat in ihre polnische Hauptstadt 
entflohen, und in der Folge wurde zum guten Teil hier die 
Auseinandersetzung um Schlesien zwischen dem Aggres- 
sor und der legitimen Herrscherin Maria Theresia ausge- 
fochten. 1759 wurden die Preussen aus Dresden vertrie- 
ben, nachdem sie noch zur Verbesserung des Schussfeldes 
zwei Vorstädte abgebrannt hatten, doch bereits 1760 kehr- 
ten sie zurück und belagerten die von den Österreichern 
schliesslich erfolgreich verteidigte Stadt. Friedrich II. lei- 
tete persönlich den Angriff; wo eine Granate ein Feuer 
entzündet hatte, liess er sofort die Artillerie hinschiessen, 
um die Einwohner bei Löschen zu treffen, so dass in dem 
siebentägigen Bombardement über 400 Gebäude vernich- 
tet wurden. Vorzugsweise die Kirchen nahm er unter 
Beschuss; die Frauenkirche, Stadtbaumeister Georg Bährs 
gewaltiger Kuppelbau, widerstand allen Kugeln, wie sie 
denn auch 1945, bereits ausgebrannt, noch zwei Tage dem 
Zusammenbruch trotzte. 
Die Kreuzkirche, die älteste Pfarrkirche der Stadt, 
wurde an dem hochragenden und wie ein Westwerk breit 
ausladenden Turmmassiv getroffen; obwohl es ausbrann- 
te, blieb es stehen. Doch das Feuer griff auf das spätgo- 
tische Kirchenschiff über und zerstörte es vollständig. 
Nach dem Friedensschluss begann Johann Georg Schmid, 
Bährs Schüler und Nachfolger, 1764 mit dem Neubau, in 
den der alte Turm integriert werden sollte. Allein, am 
22. Juni des folgenden Jahres barst nach starken Regen- 
fällen dieser von zu oberst bis zu unterst mitten entzwei, 
und die hintere Hälfte ergoss sich samt ihres Gerüstes in 
die zu Teil bereits über die Fundamente hochgeführte 
Baustelle. 
Ähnlich wie das Erdbeben von Lissabon 1753 den 
Optimismus der Aufklärung erschütterte!, gehörte die 
geistige Verarbeitung des Siebenjährigen Krieges, in der 
ein ebenso aufgeklärter wie despotischer, sich mit dem 
Feigenblatt eines Philosophen behängender König den 
zerstörerischsten, blutrünstigsten Krieg seit dem Dreissig- 
jährigen in Deutschland vom Zaune riss und darin fast 
selbst mitsamt seinem Staat unterging, zu den Grund- 
lagen der deutschen Klassik. Am berühmtesten entfaltet 
sich dieser Konflikt in Lessings versöhnlichem Lustspiel 
zwischen dem Major Tellheim, der in seinem beschränk- 
ten Pflichtbegriff vom Macchiavellismus seines Königs 
missbraucht wird, und der lebensklugen Sächsin Minna 
von Barnhelm. Unmittelbar vergegenwärtigt wird Glanz 
und Elend Dresdens in Goethes Schilderung seines Besu- 
ches 1768, als er in der Galerie zum ersten Mal Kunst-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.