HINWEISE AUF
EINIGE NEUERWERBUNGEN
BERNARDO BELLOTTOS DIE RUINEN DER
KREUZKIRCHE IN DRESDEN - EINE «ALLEGORIE
REELLE» AUS DEM 18. JAHRHUNDERT
Zwei Zerstörungen Dresdens markierten handgreiflich
Anfang und Ende preussischer Gewaltspolitik. Die
flächendeckende Vernichtung ziviler Siedlungen als nor-
males Mittel der Kriegführung, wie es Hitler lautstark ein-
führte und an Coventry vorexerzierte, brannte sich dem
Bewusstsein der Zeitgenossen nirgends schmerzlicher ein
als in der Dresdener Brandnacht vom 13.Februar 1945, als
unter dem Bombenhagel die sächsische Hauptstadt mit
35 000 Einwohnern und all ihren Monumenten in Schutt
und Asche sank, die prächtigste unter den deutschen
Barockresidenzen, deren Schönheit gerade dank der
unvergleichlichen Serie der grossen Veduten Bellottos
jedermann lebhaft vor Augen stand.
Nicht weniger traumatisch wirkten im Zeitalter der
Aufklärung die gezielt grausamen «Präventivschläge», mit
denen Friedrich II. mittels der Kriegsmaschinerie seines
zu Recht «Soldatenkönig» genannten Vaters seine Expan-
sionspolitik betrieb, und insbesondere die Ruinierung des
sächsischen Staates, der unter August dem Starken und
Friedrich August II. zu einem der glänzendsten Höfe
Europas aufgestiegen war. Was die Preussen zu viel, hat-
ten die Sachsen zu wenig getan; die Vernachlässigung der
Armee kam sie nun teuer zu stehen. Sogleich zu Beginn
des Siebenjährigen Krieges wurde das Land besetzt,
dieweil König und Hofstaat in ihre polnische Hauptstadt
entflohen, und in der Folge wurde zum guten Teil hier die
Auseinandersetzung um Schlesien zwischen dem Aggres-
sor und der legitimen Herrscherin Maria Theresia ausge-
fochten. 1759 wurden die Preussen aus Dresden vertrie-
ben, nachdem sie noch zur Verbesserung des Schussfeldes
zwei Vorstädte abgebrannt hatten, doch bereits 1760 kehr-
ten sie zurück und belagerten die von den Österreichern
schliesslich erfolgreich verteidigte Stadt. Friedrich II. lei-
tete persönlich den Angriff; wo eine Granate ein Feuer
entzündet hatte, liess er sofort die Artillerie hinschiessen,
um die Einwohner bei Löschen zu treffen, so dass in dem
siebentägigen Bombardement über 400 Gebäude vernich-
tet wurden. Vorzugsweise die Kirchen nahm er unter
Beschuss; die Frauenkirche, Stadtbaumeister Georg Bährs
gewaltiger Kuppelbau, widerstand allen Kugeln, wie sie
denn auch 1945, bereits ausgebrannt, noch zwei Tage dem
Zusammenbruch trotzte.
Die Kreuzkirche, die älteste Pfarrkirche der Stadt,
wurde an dem hochragenden und wie ein Westwerk breit
ausladenden Turmmassiv getroffen; obwohl es ausbrann-
te, blieb es stehen. Doch das Feuer griff auf das spätgo-
tische Kirchenschiff über und zerstörte es vollständig.
Nach dem Friedensschluss begann Johann Georg Schmid,
Bährs Schüler und Nachfolger, 1764 mit dem Neubau, in
den der alte Turm integriert werden sollte. Allein, am
22. Juni des folgenden Jahres barst nach starken Regen-
fällen dieser von zu oberst bis zu unterst mitten entzwei,
und die hintere Hälfte ergoss sich samt ihres Gerüstes in
die zu Teil bereits über die Fundamente hochgeführte
Baustelle.
Ähnlich wie das Erdbeben von Lissabon 1753 den
Optimismus der Aufklärung erschütterte!, gehörte die
geistige Verarbeitung des Siebenjährigen Krieges, in der
ein ebenso aufgeklärter wie despotischer, sich mit dem
Feigenblatt eines Philosophen behängender König den
zerstörerischsten, blutrünstigsten Krieg seit dem Dreissig-
jährigen in Deutschland vom Zaune riss und darin fast
selbst mitsamt seinem Staat unterging, zu den Grund-
lagen der deutschen Klassik. Am berühmtesten entfaltet
sich dieser Konflikt in Lessings versöhnlichem Lustspiel
zwischen dem Major Tellheim, der in seinem beschränk-
ten Pflichtbegriff vom Macchiavellismus seines Königs
missbraucht wird, und der lebensklugen Sächsin Minna
von Barnhelm. Unmittelbar vergegenwärtigt wird Glanz
und Elend Dresdens in Goethes Schilderung seines Besu-
ches 1768, als er in der Galerie zum ersten Mal Kunst-