treffen und mit ihnen die himmlischen Freuden geniessen
werde. Nachdem sich die Idee besonders in der englischen
Literatur zunehmend herausgebildet hatte, sprach sie
merkwürdigerweise anscheinend als erster Albrecht von
Haller in seiner «Trauerode, beim Absterben seiner gelieb-
;en Mariane» (1736) ganz eindeutig aus. In Youngs
«Nachtgedanken», in Richardsons nicht weniger populä-
ten Briefromanen, in der zu einer eigenen Gattung aus-
ufernden «Briefen von Verstorbenen an Lebende», beson-
ders schlagfertig in Goethes «Werther» mit der klassischen
Formulierung «Wir werden uns wiedersehen» bis hin zu
Novalis todessüchtigen «Hymnen an die Nacht», überall
findet sich nun der Gedanke!
Der schwedische Naturforscher, Theosoph und Gei-
sterseher Emanuel Swedenborg steigerte diese Vorstellun-
gen zu einem kohärenten spiritistischen System: die Seele
vesitzt einen Geistleib, um den der irdische Körper wie
ein Gewand gehüllt ist; im Tod gleitet dieser so leicht wie
ein Schatten ab, so dass die Person zunächst kaum
bemerkt, dass sie gestorben ist - Tod und Auferstehung
fallen zusammen!!, In dem so populären, in zahllosen
Wiederholungen verbreiteten Grabmal der Frau Pfarrer
Langhans in Hindelbank?, in Gemälden von Freudwei-
ler, Graff!*, Fabre® u.a. sehen wir nun die Seele der Ver-
blichenen in ihrem Geistleib, und öfters steht sie im Kon-
takt mit dem hinterbliebenen Gatten, den sie noch
umschwebt, erwartet und ihm den Weg zum Himmel vor-
ausweist. Denn im Gegensatz zur kirchlichen Lehre bleibt
für Swedenborg Geschlechtlichkeit und Ehe, die auf ech-
ter Seelenverwandtschaft beruht, auch im Jenseits beste-
aen und vervollkommnet sich hier ebenso wie andere
Seelenkräfte. Der Himmel wird banalisiert; die alten
gewaltigen und erschreckenden Jenseitsvorstellungen wei-
chen einem «Land des ewigen Schäferstündchens»
(Mason). Allerlei merkwürdige Auswüchse, wie etwa Lava-
ters «Aussichten in die Ewigkeit» und sein leichtgläubiges
Haschen nach Andeutungen aus dem Jenseits machen
sich breit — bis hin zu spiritistischen S&ancen und dem
Aufleben des Vampirglaubens, demzufolge Seelen ihre
leben ins Jenseits nachziehen!®.
Vor diesem Hintergrund ist nun auch die ausseror-
dentliche Beliebtheit des Märchens oder Mythos von
Amor und Psyche im späten 18. Jahrhundert zu sehen!’:
denn hier findet sich genau dieser fliessend unbestimmte
Übergang über die Grenze des Todes und das Weiterleben
und die Vollendung der Gattenliebe in höheren Sphären.
Dass Psyche als Eigenschaft zunächst vor allem Schönheit
eignet, macht sie im Zeitalter der «schönen Seele» beson-
ders attraktiv; ihre läuternden Prüfungen und ihre entsa-
gungsvolle Hingabe entsprechen der Gefühlsverdichtung
und Sublimierung der Empfindsamkeit, über deren inni-
gere Ehebeziehungen noch ein Hauch geläuterter Roko-
ko-Erotik schwebt. Die Rückkehr Psyches aus der Unter-
welt und das Wiederfinden ihres Geliebten führt alle
Motive und Gefühle zusammen; in ihren so zart schick-
lich gezähmte Liebe und getröstete Melancholie emp-
findsam verschwisternden Gestalten erfasste Angelika
Kauffmann die in Deutschland und im protestantischen
Norden dominierende Stimmung wohl am genauesten!8,
Nicht von ungefähr wünschte sich Friedrich von Matthis-
son, der Mode-Poet der Epoche, von ihr eine aus Lethe,
dem Vergessen spendenden Jenseitsfluss, schöpfende Psy-
che als Frontispiz für seine Gedichte, die etwa diejenigen
Goethes an Popularität übertrafen und ganz überwiegend
der geschilderten Thematik verpflichtet sind. Die Vignet-
te bezieht sich auf die zentrale Stelle des Gedichtes Elysi-
um: «Psyche trinkt, und nicht vergebens! / Plötzlich in der
Fluten Grab / Sinkt das Nachtstück ihres Lebens / Wie ein
Traumgesicht hinab.» - offensichtlich die poetisch euphe-
mistische Umschreibung des Todes, der Befreiung der
Seele von ihrem irdischen Körper. Da Matthisson das
Frontispiz bestellte, kurz bevor Angelika Kauffmann das
grosse Gemälde in Angriff nahm, bildete sein Gedicht
möglicherweise überhaupt die entscheidende Anregung;
ıedenfalls ist seine Gefühlshaltung in die Gestaltung ein-
geflossen. Dass das Bild nicht an die Bestellerin, die jäh-
zornige Fürstin Bariatinsky, gelangte, sondern von der
schönen Seele und unglücklich verheirateten Louise von
Anhalt-Dessau für ihr Schlösschen Elysium erworben
wurde, als sie in Begleitung Matthissons Angelika in Rom
besuchte, entspricht völlig der Logik der Dinge. Dass sich
nach ihrem Tode ihr aus physischer Inkompatibilität pla-
tonischer Gemahl Fürst Franz in ihr Elysium, wo er ihren
«Geistleib» noch um sich schweben fühlen mochte, zu-
rückzog, will uns der historischen Stimmigkeit fast zu viel
erscheinen.