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EINE REALPOLITISCHE BETRACHTUNG
von Prof. Fr. W. Foerster.
(Nummern 23 und 24, 30. Juni bis 4. Juli 1917.)
I.
Da es den Annexionisten gestattet ist, für ihre
Kriegsziele eine sehr lante Propaganda zu machen,
so wird wohl auch einem Vertreter der Gegenseite ein
mal die nötige Redefreiheit gestattet werden, um die
entgegengesetzte völkerpolitische Ueberzeugiung ein
gehend zu begründen.
Woher kam es wohl, daß der bekannte „National
ausschuß für dauernden Frieden“ so völlig Fiasko
gemacht hat? Zweifellos, weil das ernst und gründlich
angelegte deutsche Volk nach solchen Opfern und
solcher Weltnot etwas Ganzes, ein$ wirklich durch
greifende Bürgschaft gegen die Wiederkehr einer der
artigen Katastrophe verlangte und daher mit einer
bloßen vagen Mäßigung, die jede Antwort auf die
brennenden Zukunftsfragen der deutschen Sicherheit
vermissen ließ, nicht zufrieden sein konnte. In der
Sache des kommenden Weltfriedens kann es in der
Tat nur zwei wirklich ernst zu nehmende Programme
geben: Entweder die reale Garantie einer fundamen
talen und weit über die Tagesfragen hinausgehenden
europäischen Verständigung, das heißt einer neuen
Stufe der Kultur in bezug auf internationale Ver
trags- und Rechtsordnung, also einer Wiederaufnahme
alles dessen, was auf den Haager Konferenzen ein
geleitet wurde — oder aber die realen Garantien des
aufs äußerste angespannten Machtwillens und seiner
eisernen Methoden.
Von den hier einander gegenübergestellten Pro
grammen scheint das erste utopisch-idealistisch, das
zuletzt genannte hingegen allein mit der harten Wirk
lichkeit des Völkerlebens und den darin wirksamen,
unerlösten Machtleidenschaften vereinbar zu sein. In
Wahrheit verhält es sich gerade umgekehrt, und nichts
ist in der gegenwärtigen Stunde wichtiger, als das