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dem deutschen Volke nahe zu bringen. Geht man
nämlich all jenen gefeierten realen Garantien auf den
Grund, so entdeckt man bald genug, wie kurzsichtig
sie gedacht sind, wie viel bloße Machtromantik und
wie wenig zuverlässige Sicherheit in ihnen steckt.
Denn diese Garantien sind ja doch stets nur ein An
reiz für die Gegenseite, sich nun ihrerseits Garantien
gegen diese Garantien zu schaffen! Ist aber ein sol
cher Wettbewerb der Gewaltmittel heute nicht das
unberechenbarste aller Hasardspiele geworden? Was
nützt die denkbar größte nationale Machtentfaltung,
wenn die Gegenkoalitionen sich in noch größerem
Maßstabe organisieren? Was hilft uns alle mittel
europäische Machtkonzentration, wenn in der all
gemeinen rücksichtslosen Machtkonkurrenz etwa Eng
land, Amerika und Japan uns gemeinsam die Meere
absperren? Soll uns die Türkei dann die verlorenen
Märkte ersetzen?
Wer überhaupt noch aus dem Weltgericht dieser
Zeit zu lernen vermag, wer Ohren hat zu hören und
Augen zu sehen, der muß doch wohl heute endlich
begriffen haben, daß inmitten der Konkurrenz eben
bürtiger Großmächte das bloße Streben der einzelnen
Nation nach äußeren Machtgarantien gar keinen wirk
lichen Nationalschutz mehr bedeutet, im Gegenteil, je
drohender sich ein Staat in eiserne Positur stellt,
desto mehr lockt er das fremde Eisen herbei, und all
seine sogenannte Macht kann ihn gegenüber einer
Uebermacht von koalierten Gegnern nicht zum Herrn
der Lage machen. Mit dieser Einsicht muß sich vor
allem die Staatskunst eines Zentrallandes durchdrin
gen — ein so gelegenes Land kann imponierende
Machterfolge erringen, so lange es noch einen Vor
sprung vor den Machtmitteln der andern hat; haben
aber die andern diesen Vorsprung eingeholt, ant
worten sie nunmehr ihrerseits in der Sprache von Blut
und Eisen, und lassen sie sich auf ein Wettrüsten ein,
das infolge der damit verbundenen wachsenden gegen
seitigen Bedrohung und Verfeindung unvermeidlich
bei irgendeinem Anlaß zur Explosion führt — da tritt
eben drastisch zutage, daß jenes alles absorbierende