Eine leise Erinnerung an meine Jugendsehnsucht,
dem Leuchten des ewigen Schnees, führte mich zu
meiner Pieta von Avignon, diesem herrlichen Bild
im Louvre, das mich lockte, es umzuschmelzen. Im
Kubus fand ich damals die Lösung. Doch war der
Kubismus von damals nicht mein Kubismus, denn
ich trug doch meine eigene Melodie in mir. Mein
Kubus wurde zum Kristall, in dessen Facetten ich
das Bergesleuchten wiederfand. Das neue kultische
Bild wurde mir gegeben; ich fand darin Gesetze,
die Runen und Zeichen, wie ich sie am Berg selbst
erlebte. Eine fast zauberische Magie bewegte mein
Leben — aus Freude trunken meine Wiedergeburt
zu erleben, mit der deutlichen Forderung: alle
Gegenstände, die ich gestalte, in ihr eigenes Licht
zu stellen. Faustischer Drang und konzentrierte
Meditation — Ein- und Ausatmen — Natur und
inneres geistiges Bild — dramatisch und lyrisch —
diese Polarität, das ist mein Kampf um die Form
Kunst.
September 1944 Oscar Lüthy