der Frühe des 22. Juli verläßt er Ornans in Begleitung von Marcel
Ordinaire, Am vereinbarten Ort wartet die treue Freundin Lydia
Jolicler aus Pontarlier mit Pferd und Wagen, und sie kutschiert ihn
ohne Zwischenfall über die Grenze in die Schweiz. Dankbar schreibt
er am 23. Juli nach Hause, „nous sommes heureux comme dans un
paradis, et en parfaite s&curite‘. Ein Paradies sieht er in seiner Güte
wohl auch im „Bon Port“ von La Tour de Peilz, wo er nach einigem
Suchen im Jura, in Lausanne, Freiburg, Vevey, zu einem bescheidenen
Glück im Winkel sich niederläßt.
Es ist ein früheres Wirtshaus, nicht sehr gut im Stand, aber in
hübscher Umgebung unmittelbar am See. Marcel Ordinaire teilt das
Exil ein Jahr lang als Schüler und Gehilfe. Pata bleibt dauernd, als
Gehilfe, Sekretär und Diener, ein Flüchtlingspaar Morel aus Marseille
hat unter einem Vordach sich eingerichtet, die Frau besorgt den für
alle gemeinsamen Tisch. Im übrigen muß Courbet der Stammtisch
im kleinen Cafe du Centre die Brasserie Andler und das Cafe de
Madrid mit ihrer Auslese von freien und bedeutenden Geistern aus
Paris und ganz Frankreich ersetzen, und gelegentliche dörfliche Feste
mit Ansprachen und Feuerwerk zur Übernahme einer von ihm ge-
stifteten Skulptur in La Tour de Peilz und Martigny die Momente,
da er ganz Paris und Europa zu seinen Füßen glaubte. Die Besuche
aus Frankreich sind meist Erinnerungen an größere und schönere
Zeiten und an die Heimat, manche Freunde sind tot, wie Proudhon
und Buchon, andere verstummt. Von den Seinen hat er die Mutter,
seine Schwester Zelie und einen Sohn verloren. Doch kommen auch
neugierige Fremde, Denen zeigt er gern die in niederen Zimmern
aufgereihten Bilder, seine letzte Sonderausstellung. Und Schweizer
Künstler wie Auguste Baud-Bovy und David Bocion. Schließlich
der bunte Schwarm von Flüchtlingen und Proskribierten aus
Frankreich.
Trotz aller Aufregung und wieder langer, lähmender Ungewißheit,
die der Gang des Prozesses mit sich bringt, der wieder, aus Partei-
leidenschaft geboren, mit allen Vorgängen und Situationen auf dem
Feld der französischen inneren Politik in seinem Auf und Ab ver-
flochten ist. bleibt Courbet auch in La Tour de Peilz der Maler. Er
hat sich nicht umsonst nach dem einmaligen Unterbruch zugunsten
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