Marcel Słodki, Plakat zur Eröffnung der Künstlerkneipe Voltaire, 1916

Mit diesem Plakat wurde für die Eröffnung der Künstlerkneipe Voltaire in Hotels, Cafés und Buchhandlungen geworben. Der Holzschnitt von Marcel Słodki zeigt ein Motiv aus der Dunkel- und Halbwelt, wie sie die Zürcher Altstadt prägte, in welcher die Dadaisten ihre Kleinbühne fanden. Man hört daraus förmlich Tristan Tzaras Kurzbeschreibung der Spiegelgasse («la plus obscure rue sous l‘ombre des côtes architecturales, où l‘on trouve des détectifs discrets parmi les lanternes rouges») und spürt den rauen Hauch von Gedichten, wie sie Emmy Hennings im Cabaret vortrug. Wie das Holz in all seinen Fasern, so leben die Figuren in vielen Adern. Das Plakat wurde zusammen mit einem Dostojewski- und einem Tolstoi-Porträt von Słodki auch in der Ausstellung im Cabaret Voltaire gezeigt. Die Abbildung eines Holzschnitts von Słodki in der Publikation Cabaret Voltaire zeigt ein ähnliches Motiv; ein schwaches Licht wirft gespenstische, dramatisch konturierte Schatten. Zu den Meistern des expressionistischen Holzschnitts gehörte im Auftakt zu Dada Zürich auch Christian Schad.

Bis in den Frühling 1916 firmierten die Dadaisten ihr Lokal im Saal der holländischen Weinstube Meierei als Künstlerkneipe; mit der Umbenennung in Cabaret Voltaire wollten die international ausgerichteten Dadaisten dem Vorwurf der Deutschtümelei entgegenwirken. Die hohe Kadenz der fast allabendlichen Aufführungen war beschwingend, auf die Länge jedoch erschöpfend. Der künstlerische Leiter des Cabarets, Hugo Ball, notierte nach wenigen Wochen in seinem Tagebuch: «Das Kabarett bedarf einer Erholung. Das tägliche Auftreten bei dieser Spannung erschöpft nicht nur, es zermürbt. Inmitten des Trubels befällt mich ein Zittern am ganzen Körper. Ich kann dann einfach nicht mehr aufnehmen, lasse alles stehen und liegen und flüchte.» Nach knapp fünfmonatigem Betrieb wurde das Cabaret geschlossen. Ihr zweites festes Domizil hatten die Zürcher Dadaisten ab 1917 in der Galerie Dada im «Sprünglihaus» am Paradeplatz.

Marcel Słodki kam 1915 nach Studien an der Münchner Kunstakademie via Rom nach Zürich, wo er mit Unterbrüchen bis 1920 wohnhaft blieb. Im Rahmen von Dada Zürich war er mit Werken auch in der Galerie Dada an der 1. Dada-Ausstellung und der Ausstellung von Graphik, Broderie, Relief vertreten. Er gehörte 1918 zu den Erstbezügern eines Ateliers im stadtzürcherischen Atelierhaus an der Rousseaustrasse.

Zur Auflagenhöhe sind keine Angaben bekannt. Das Plakat konnte in der Buch- und Kunsthandlung Hans Hack, Oetenbachgasse, gekauft werden. Provenienz: Vom Kunstgewerbemuseum Zürich 1992 erworben.
Erste Ausstellung: Zürich, Cabaret Voltaire, Eröffnungsausstellung, 1916.


→ Karl Schlegel, Einladungskarte zur Eröffnung der Künstler-Kneipe Voltaire, DADA V:49
Cabaret Voltaire, DADA III:37
→ Emmy Hennings, Gedichte, DADA II:1
→ Emmy Hennings, Brief an Reinhold Rudolf Junghanns, DADA II:27
→ Christian Schad, Onéirodynie en Kova, Gr.Inv. 1985/105