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befindet sich zurzeit in einem Stadium, wo mehr mit Worten als
mit Waffen gekämpft wird (weshalb z. B. die kommunistische Presse
sich selbst als „Waffe für die Rote Armee“ zu bezeichnen pflegt).
In der Not frißt der Teufel Fliegen — das westliche Proletariat In
tellektuelle, wie das russische Spezialisten und Offiziere. Das
ist kein Unglück, wenn scharf darauf gesehen wird, daß diese wie
jene nur die strategische, nicht aber die geistigle und politische
Führung ausüben. Sonst werden „Berufsführer“ daraus, die in der
Luft über dem Proletariat und dem historischen Geschehen schwe
ben. Während der Klassenkampf Führer braucht, die vom Ver
trauen der revolutionären Massen nach vorne gestellt wurden, weil
sie unbeirrbar kämpften und litten, tausendmal erprobt sind und
sich in einem Leben der Hingebung und Entbehrung als tapfer,
klar und kraftvoll genug erwiesen haben, um über das wertvollste
Leben und Blut, das es gibt, das der revolutionären Proletarier,
zu bestimmen. Wer auch solche „Führer“ ablehnt, der überlege
sich den Satz aus einem der Briefe Rosa Luxemburgs: „Die ganze
Kulturgeschichte der Menschheit, die nach bescheidenen Schätzun
gen einige Jahrtausende dauert, basiert auf der Entscheidung von
Menschen über andere Menschen, was in den materiellen Lebens
bedingungen tiefe Wurzeln hat.“
„Führer“ überhaupt ablehnen, heißt dieses Gesetz über Nacht
abschaffen wollen. Diese Nacht dürfte leider sehr lange dauern —
wenn’s gut geht, einige hundert Jahre.
Was von den Intellektuellen gilt, trifft auch auf den Künstler
zu: er muß sich das Recht, mit Proletariern Schulter an Schulter
zu kämpfen, erst erwirken!
Das geben die, welche es ehrlich meinen, ohne weiteres zu —
was aber tun sie? Sie reden und reden, voriges Jahr, dies Jahr
und nächstes Jahr darüber, was zu tun sei — weil sie zu individu
alistisch sind, um ihre Aufgaben naiv, fast unbewußt aus den Ge
sichtern der Proletarier zu lesen. Oder sie halten diesen unfrucht
baren Zustand nicht mehr aus und gehen lieber „aufs Ganze“. Sie
lassen Pinsel und Feder liegen, konspirieren, sind heute da, mor
gen dort, haben sechs Namen, blicken geringlschätzig auf alles,
was nicht illegal lebt, leben selbst sehr schlecht und kleiden sich
ärmlich, brechen tatsächlich die Brücken hinter sich ab (je nach
Charakter ans politischem oder romantischem Bedürfnis). Sie
gehen ins Proletariat.
Einen äußerlich ähnlichen Weg gingen viele Russen. Lewine
z. B. war zwei Jahre lang Bauarbeiter. Aber nicht um der hero
ischen Geste willen oder um die bourgeoise Tradition in sich zu
tilgen, sondern um das Proletariat, seine Arbeits- und Existenzbe-