Einzelteile verschwindet dem entfernten Auge, und wie ein kostbarer Schmuck, nicht wie ein Aus
sichtsgipfel lockt er im Kessel, selbst im kleinen Ausmaß eine Krönung.
Man kann auch vom Flachland zu dem Borobudur kommen. Dann wölbt er sich sanft aus
dem Boden, jede Palme scheint am Ende des Schaftes seine Formung zu wiederholen, irgendein
Baumals letzter Vorposten des Waldes teilt seltsam asymmetrisch die Silhouette. Nur für nächste
Betrachtung liegt er frei. Aber von den Brechungen der Terrassen und den Kreisbekrönungen
der Höhe schweift das Auge wieder zur Vegetation. Den zarten Buddhaleibern der Nischen
und den blutvollen Reliefs der Wände antwortet in der Ferne die farbige Fülle bewachsener
Hügel, wuchernder Pflanzen und Blumen. Dem frommen Umwandler wird die tropische Gestalten
welt, der ganze Reichtum des weiten Ausblicks zum Kultraum. Rückschauend verliert er den
Blick auf die mühevollen Aufstiege, erfaßt mit dem Auge nahe die Symbole irdischer Fruchtbarkeit
und Vergänglichkeit — Phallus und Wasserblase — und weithin Felder, Wälder und Berge,
geschichtet wie der Borobudur, voller Abwechslung und doch einheitlich verbunden. Niemals fehlt
der anschaulichste Hinweis auf die universalistische Grundlage der buddhistischen Lehre. Noch
weiß man nichts von ihren javanischen Sonderformen. Aber sie scheint auf der Insel mehr als an
irgendeiner Stelle des asiatischen Kulturkontinents mit dem ganzen Dasein der Bewohner ver
bunden,- in den Reliefs sind Menschen, Tiere und Pflanzen gleich liebevoll dargestellt, Abbilder
der großen Ordnung, die dem von dem Denkmal ins Weite gewandten Blick stets erfaßbar war.
Die Naturalistik der Darstellung ist nicht Selbstzweck, nicht gelöst von der vegetativen Trieb
haftigkeit, sondern geboren aus der vollkommenen Sicherheit des Menschen in seiner natürlichen
Umgebung, Ausdruck eines glücklichen und beruhigten Zustandes, der wie in Griechenland
Resultat günstiger morphologischer und klimatischer Voraussetzungen war.
Unbeschreiblich ist die Reife der Ausgestaltung. Ohne daß die Größe der Gesamtanlage
irgendwie verloren wäre, sind alle Bauteile in einen Reichtum plastischer und ornamentaler Formen
aufgelöst, der den Vergleich mit der üppigsten Umgebung aushalten kann. Ja, die Unerschöpf-
lichkeit der Erfindung fordert diesen Vergleich, gibt ihm die einzige Erklärung und Grundlegung.
Die dämonische Triebkraft des künstlichen Gebildes kann nur in den natürlichen Wachstumsbedim*
gungen restlos begriffen werden. Alfred Salmony,