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sein Gleichgewicht zu verlieren drohte, entschloß
ich mich eines Sonntags noch einmal eine kleine
Gesellschaft bei guten Bekannten zu besuchen.
Dort lernte ich durch Zufall meine spätere Frau
kennen. Sie flößte mir Vertrauen und Liebe
ein, ich besuchte sie häufig und nach kurzer
Zeit schon faßte ich den Entschluß zu heiraten,,
durch diese Verbindung kam ich in gesicherte
Verhältnisse. Das war im Herbst 1904.
Durch meine Ehe war so viel neues Glück
über mich gekommen, daß ich bald wieder den
Anreiz zur Arbeit in mir fand. Jetzt entstanden
Serien harmonisch ausgeführter Blätter, welche
ich, um sie abwechslungsvoller und reicher zu
gestalten, in zart abgestuften farbigen Tönen
hielt. Hatte ich mich früher auf grau und nah
verwandte bläuliche, bräunliche und grünliche
Nuancen beschränkt, so nahm ich nun gelb,
grün, orange, verschiedenes Rot usw. in meine
Skala auf. Das ging so eine ganze Weile fort,
ich glaube ein halbes Jahr, dodi muß ich er
wähnen, daß die gleichsam aus dem Unbewußten
wie Hellgesichte auftauchenden bildhaften Vi
sionen immer seltener und schwächer wurden,
um endlich ganz auszubleiben, was mir, da um
dieselbe Zeit auch meine Frau erkrankte, einen
Kurort aufsuchen mußte, und mich allein haus-
halten ließ, im ganzen eine innere Unzufrieden
heit gab.
Um mich aus diesem Trüben herauszureißen und mir zu neuen Eindrücken zu verhelfen, fuhr
ich nach Wien,- hier war es, wo ich im Hofmuseum die Bilderreihe des alten Breughel sah. Dieser
Tag gehörte zu den reichsten meines Lebens und wenn ich schon erzählte, daß der erste Besuch
der alten Pinakothek mich in eine staunende Ekstase gebracht hat, die mich zuerst in den Himmel
hob, um mir nachher das Bewußtsein meiner Nichtigkeit diesen ewigen Werken gegenüber nur
noch deutlicher zu machen,- wenn ich später sagte, daß meine Bekanntschaft mit Klingers Frühwerk
meinen äußeren Weg entschied, indem sie mich der Graphik zuwies, hier war das Erlebnis
ein ganz anderes. Es ist nicht etwa nur das Gegenständliche, was mich bei diesem Meister so
anspricht, sondern vor allem das Elementar-Visionäre seiner Kunst, das aus dem Unbewußten
auftaucht und mit beinahe nüchtern,- einfachen Handwerkermitteln die Glut der Gestalten wunder
bar bändigt.
In Wien hatte mir Kolo Moser eine Technik gezeigt, bei der man mit Kleister vermischte Aqua
rellfarben zu eigentümlichen, sehr schönen farbigen Wirkungen verhelfen konnte. Ich beschäftigte
mich eingehend mit dem neuen Verfahren und es gelangen mir eine ganze Reihe in allen Farben
schillernder und funkelnder Bilder. Zauberländer, Blumen, Fische und Vögel, wie in einen
Regenbogen getaucht, orientalische Kostüme,wie aus Schmuck und Schmetterlingsflügeln zusammen
gesetzt, konnte man besonders gut geben.