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Von Gottes- und Menschenrechten.
sehen empfunden; der Priester gilt als Volksfeind, das Opfer
als ein Verzicht auf die Menschenwürde.
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22. IX. Schickeies neue Zeitschrift soll im November erscheinen. Ich
bleibe also in Bern. Petroso hat mir sein Zimmer nebst einer
hübschen internationalen Bibliothek überlassen. Er empfiehlt mir
die Schriften seines Landsmannes Unamuno, insbesondere „Le
sentiment tragique de la vie“.
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Die Romane werden Wirklichkeit. Leiter des revolutionären
Marineministeriums ist Ropschin (Savinkow), der Verfasser von
„Das fahle Pferd“. Er ist es, der die 10000 Gewehre an die Maxi-
malisten verteilte. Und Adjutant des Petersburger Stadtkomman
danten ist ein anderer ,Literat* und Terrorist, der frühere Leut
nant, jetzt Oberst Kusmin.
Der Goethesche Geist: entspringt er nicht einer Verlegenheit,
unter hundert Möglichkeiten die Person zu finden? Ist er nicht
Folge einer vielseitigen Hemmung individueller Anlagen und
Talente? Überall ist dieser unheimliche Geist von seinen Stimmen
und Berufen ins Breite geführt und stets auf sich selbst zurück
verwiesen: ein Bild der ganzen Nation. Das Besondere aber ist,
daß er sich entschließt, auf die Person zu verzichten, statt sich
zur Einheit zu nötigen. Bei seiner Größe als Künstler ist das
unbegreiflich und muß einer Philosophie, einem Willen ent
springen.
26. IX. Die abstrakten Beziehungen zur Nation durchbrechen. Wenn
die Regierung Unrecht tut —: darf man ihr Widerstand leisten?
Nach dem Paragraphen 34 der „Menschenrechte“, die heute im
Gewissen der ganzen zivilisierten Welt wirksam sind, ist der