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Von Gottes- und Menschenrechten. 203
Widerstand nicht nur Recht, sondern höchste Pflicht. Die Regie
rung ist kein Unrechts-, sie ist ein Rechtsinstitut, wenn auch das
Recht des Widerstandes gegen Übergriffe in keiner deutschen
Verfassungsurkunde gewährleistet ist. Soll der Staat einen Sinn
haben und in seinen Rechtsgrundlagen nicht einen logischen
Widerspruch bergen, so muß in ihm notwendig das Gewissen des
einzelnen begründet sein, denn es gibt ein solches Gewissen, und
der Staat sollte Ausdruck aller Interessen, auch der höchsten,
und besonders dieser sein. Eine Regierung ist nicht nur ihren
Geschäftsleuten und Militärs, sie ist auch ihren Moralisten ver
antwortlich. Es würde ihr wenig nützen, dies zu bestreiten. Wer
über die Form verfügt, verfügt auch über die Nation, und nie
mand anders im letzten Grunde, stünden ihm auch die größten
Kanonen zur Verfügung.
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Nach Kant bezieht der Mensch sein Leben von der Wissen
schaft; freilich ohne daß ein solcher dann beweisen könnte, er
lebe wirklich, nicht nur zum Schein. Die Wissenschaft hat es
mit dem Explizieren zu tun, so sagt man. Es gibt aber ein
Wissen, das auf diesen Umweg verzichtet und zum Direkten
strebt. Der Wissenschaft ist in Deutschland alles erlaubt; nur
darf man aus dem Wissen keine Konsequenzen ziehen und auf
Anwendung dringen. Das ist die Erklärung unserer Zustände bei
gleichzeitiger Hypertrophie in Literatur und Gelehrsamkeit.
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Jemand klopft mir, während ich unter den Arkaden spaziere, 28. IX.
auf die Schulter: Siegfried Flesch. Vor dem Kriege war er im
Aufsichtsrat der Münchener Kammerspiele und publizierte als
Herausgeber Mazzinis bei Wehner in Leipzig eine republikanische
Zeitschrift. Wir Jungen belächelten damals sein Blatt, an dem
jedoch eine ganze Anzahl bekannter deutscher Publizisten mit-