urtümlicheren, unmittelbar auf das persönliche Schicksal bezugnehmen-
den rechten Seite zu konfrontieren. Schutzsuchend und trostspendend
nähert sich unten links eine weibliche Figur vom Typus der Maria Mag-
dalena; die fehlende obere Gesichtshälfte des Geigenspielenden weist wohl
auf die verstandesmäßig nicht faßbare Macht des Musischen auch in
düsteren Zeiten hin — eine Deutung, die auch für die fliegenden, tier-
köpfigen Zirkusmenschen in verwandter, hier vermehrt spielerischer
Weise angenommen werden kann. Die rechte Bildhälfte kreist um die
Pole Familie und Dorf: rechts unten die Vaterfigur mit dem Gebetbuch,
die einer Pieta angeglichene Gruppe von Mutter und Kind, darüber ein
brennendes russisches Dorf, für Chagall seit der Zeit, da er seine Geburts-
stadt Witebsk verlassen hat, Inbegriff des Verlustes von Heimat und Ge-
borgenheit. Noch in den sechziger Jahren wählt der Künstler dieses Motiv
in La Guerre (Kunsthaus Zürich, Erwerbung der Vereinigung Zürcher
Kunstfreunde 1967), um die Schrecken des Krieges bildhaft zu fassen.
Les lumieres du mariage, 1945 (Abb. 3)
1933 malte Chagall die breitformatige, vielfigurige Komposition Zzrkus-
leute, in deren linkem Zentrum Chagalls Frau Bella in weißem Kleid, in
der rechten Bildhälfte ein Brautpaar erscheint. Als der Künstler 1941 auf
Einladung des Museums of Modern Art, New York, in die USA über-
siedelte, ließ er sich dieses Bild zusammen mit anderen, die ihn noch nicht
befriedigten und an denen er weiterarbeiten wollte, nachsenden. Im Sep-
tember 1944 starb Bella Chagall nach kurzer Krankheit eines plötzlichen
Todes. Dieser Schicksalsschlag verunmöglichte Chagall während neun
Monaten jede künstlerische Tätigkeit. Zu den ersten Arbeiten, die er nach
dieser Zäsur in Angriff nahm, gehörte die erneute Beschäftigung mit den
Zirkusleuten. Er schnitt die große Leinwand entzwei und malte beide
Teile selbständig weiter. Aus der linken Hälfte entstand zuerst das Bild