Volltext: Jahresbericht 1975 (1975)

ausstattete. In der Zeichnung des Kunst- 
hauses scheint der Mann die einzig lebendige 
Figur zu sein; die Frau über seiner Schulter 
hat die Steifheit einer Puppe. Sie unter- 
scheidet sich in ihrer Leblosigkeit kaum 
von dem weiblichen Torso auf der rechten 
Sockelhälfte, von dem man den Eindruck hat, 
er sei nur eine hohle Schale, ähnlich einer 
Ritterrüstung. Alberto Giacometti sucht zu 
der Zeit die Wirkung von gedrechselten 
Schneiderbüsten und Schaufensterpuppen. 
Er greift damit indirekt auf Giorgio de Chirico 
zurück, der die an Kleiderpuppen erinnernde 
Gestalt, den «manichino», als Kunstfigur 
in seine Bilder eingeführt hatte. In den 
überlängten Proportionen klingen bereits die 
späteren Figuren Gilacomettis an, die er 
nach seiner erneuten Auseinandersetzung 
mit der Wirklichkeit schuf, als er wieder das 
Bedürfnis hatte, «nach der Natur zu arbeiten. 
ein Modell zu nehmen». Die Figuren der 
dreissiger Jahre haben allerdings noch einen 
fest geschlossenen Umriss und noch nicht 
den vielfältig gebrochenen Strich, der später 
zwischen Fiaur und Umraum vermittelt. 
Das Porträt A/berto, eine Silberstiftzeichnung 
von Giovanni Giacometti von 1922, die als 
Geschenk von Bruno und Diego Giacometti 
in die Giacometti-Stiftung gelangt ist, zeigt. 
wie nahe sich Vater und Sohn manchmal 
gekommen sind. Dargestellt ist Alberto im 
Atelier vor einem angedeuteten Gemälde 
des Vaters, von dem am rechten Bildrand 
noch eine Figur zu sehen ist. Auffallend sind 
die darunter befindlichen, vom Körper völlig 
separierten Hände. Die Art, in welcher der 
Kopf mit einem Netz von Strichen umrissen 
ist, erinnert an die Zeichnungen Albertos 
aus den vierziger und fünfziger Jahren. Bei 
Giovanni dienen die Strichbündel allerdings 
noch mehr der Modellierung des Gesichtes, 
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und die Struktur der netzartig ausgebreiteten 
parallelen Diagonallagen in der Haarpartie 
lässt noch deutlich das Vorbild Cezanne 
erkennen. 
Ursula Perucchi-Peftri 
_ettre a Pierre Matisse. In: Katalog Alberto Giacometti, 
\ew York, Pierre Matisse Gallery, 1948. Zitiert in: Reinholo 
Hohl, Alberto Giacometti, Stuttgart 1971, S. 22. 
_ettre a Pierre Matisse. Wiederabgedruckt in: Alberto 
Z3iacometti, Schriften, Fotos, Zeichnungen, Hg. Ernst 
Scheidegger, Zürich 1958, S. 34 f. 
Hohl 1971, S. 299, Anm. 23. ; 
Franz Meyer, Alberto Giacometti, Eine Kunst existentieller 
Wirklichkeit, Frauenfeld und Stuttgart 1968, S. 74. 
Scheidegger 1958, S. 34. 
Zitiertin Hohl 1971, S. 248. 
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