Zwei dieser Quadratbilder sind neu in die Sammlung
des Kunsthauses Zürich aufgenommen worden:
«Grey Question» von 1963 und « Red Reminder» von
1964. Sie hängen neben zwei früheren Beispielen
aus dem Schaffen von Albers, dem Glasbild « City»
aus der Bauhaus-Zeit von 1928 und der Gravur
«Engraving U 7» von 1955, die zu den « Strukturalen
Konstellationen» gehört. Alle vier Werke zusammen
bestechen durch die Sparsamkeit der darin an-
gewandten Mittel. Das hat Albers als Grundregel für
sein künstlerisches Schaffen verstanden. Er setzte
sich zum Ziel, das Verhalten von Linien in der Fläche
und das Verhalten von Farben in der Fläche zu
veranschaulichen. Nicht mehr und nicht weniger.
Seine Quadratbilder sind der malerischen Weisheit
letzter Schluss, zu der er schliesslich gelanate.
und mit sauberer Kontur» aneinanderstossen. Denn
nur so können sie sich gegenseitig beeinflussen.
Das heisst, Farben scheinen an Tiefe zu gewinnen,
oder sie scheinen nach vorn zu dringen, sie
scheinen sich zu überlagern und an den scharf ge-
zogenen Grenzen zu verdichten. Farbräume ent-
stehen, ohne dass eine echte Perspektive vorhanden
wäre. Ist das, was wir sehen, die Wirklichkeit,
oder das, was maltechnisch vorhanden ist? Albers, der
sich gern in der aphoristischen Gedankenverkür-
zung seiner «Statements» ausdrückte, notierte: «Nur
der Schein trügt nicht.»
Schauen wir «Grey Question» und’ «Red Reminder»
an. Sie messen 120x120 cm und gehören zu den
Grossformaten, die Albers für die «Squares» gewählt
hat. Jedes der beiden Bilder enthält drei Quadrate,
und das innerste ist gleich klein. Das eine Bild führt
von Grün über ein mittleres Grau zu einem Dunkel-
grau im Mittelpunktsquadrat, das andere von Braun
über Rotbraun zu Dunkelrot. Grau, das als be-
ruhigend ausgleichender Farbton gilt, drängt nach
vorn vom Bildgrund weg, und das Rot, das als
eher aufregend gilt, entgleitet nach hinten in imagi-
näre Tiefen. Jemand anders mag die Farbaktivität,
die von diesen Werken ausgeht, verschieden empfin-
den. Jeder Betrachter erschafft sich seinen
aigenen «Albers», eine eigene Illusion und Inter-
pretation. Man könnte viel Deutungsschwere an
Albers’ Farbquadrate knüpfen, ausschweifend vom
meditativen Charakter in philosophische Gedanken
über die Relativität der Wahrnehmung und den
Gleichniswert, den man in den Identitätswechsel der
Farbe hineinsinnieren kann. Auch das Prinzip Zeit
mag man beiziehen, weil die Vieldeutigkeit des dem
Auge ständig entgleitenden Farbraumes zum fort-
gesetzten Lesen der Bilder verführt.
Albers wollte den Betrachter über die Wahrnehmung
der Farbe zum Erlebnis der Farbe führen. Andere
Maler vor Ihm und nach ihm wollten das auch; so un-
mittelbar von einem sinnlichen Erfassen in ein
geistiges Verstehen übergehend, gelang es kaum
einem anderen wie Ihm mit seinen « Squares ».
Drei oder vier Quadratflächen liegen übereinander
und werden dem Zentrum zu kleiner, sie liegen
symmetrisch an der Vertikalachse und asymmetrisch
an der Horizontalachse. Nur das innerste Quadrat
ist ein volles Quadrat. Die Farbe ist aus der Tube mit
dem Palettenmesser auf die Holz- oder Masonit-
platte aufgetragen, ohne Korrektur, ohne Unter- und
Übermalung in einer Schicht. Mischungen mit
Weiss gibt es nur dann, wenn ein gewünschter Ton
(Rosa zum Beispiel) im Handel nicht erhältlich
ist. Auf der Rückseite eines jeden Bildes hat Albers die
verwendeten Farben vermerkt.
Albers sagte, dass die von ihm gewählte quadratische
Rasterung des Bildgrundes, und die neutralisie-
rende Oberflächenbehandlung, die von ihm beabsich- Die Titel verweisen auf den Stimmungsgehalt. Albers
ägte Eigenwirkung der Farbe vorbereite. Ganz iebte das Wort Farbklima und machte darauf
wichtig ist dabei die Tatsache, dass die Farben «auf aufmerksam, dass ihn oft Natureindrücke berührt hät-
einer mittleren Ebene der Lichtintensität . . . flach ten, dass Titel aus Assoziationen folgten, die sich
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