Volltext: Jahresbericht 1979 (1979)

Glarners Anfänge waren konventionell, und seine 
Entwicklung spielte sich keineswegs so geradlinig 
ab, wie es in der harmonischen Zusammenschau 
seines Gesamtwerkes den Anschein hat. In frühen 
Bildern sind Merkmale seiner späteren Malerei in 
Ansätzen vorgegeben. Im mittleren Schaffen erfolg: 
ten Rückgriffe auf Erfindungsphasen der Moderne, 
die längst vorbei waren. Wenn man in der Kunst 
nicht nur am Glanz der endgültigen Leistung in- 
teressiert ist, an der es nichts mehr zu rütteln gibt, 
sondern auch an den geistig-schöpferischen Über- 
gangsetappen, dann bedeutet das Glarner-Legat 
gerade in dieser Hinsicht einen Glücksfall. Der 
Glücksfall betrifft ihn selbst, aber auch das Ver- 
ständnis konstruktiven Bilddenkens im allgemeinen. 
In den zwanziger und dreissiger Jahren beschäftigte 
sich Fritz Glarner auf recht eigenartige Weise mit 
der Thematik des Stillebens. Das heisst, er malte 
Interieurs in der Art von Stilleben: Schachteln, Trep- 
pen, Tische, Staffeleien, Raumecken, dann sind 
architektonisch betonte Innen- und Aussenräume 
die Versatzstücke dieser Leinwände. Die Atmosphä 
rik des Impressionismus und Neoimpressionismus, 
das Kolorit und die Geometrisierung von Gegen- 
ständen durch den Kubismus leben nochmals auf 
Composition von 1932 vertritt diesen Bildtypus. 
Schaut man jedoch genauer hin, finden sich bereits 
spezifische Glarner-Effekte. Drei Punkte sind es, die 
man beachten muss. Zunächst versammeln sich 
alle Bildelemente in einer Wahrnehmungsebene, sie 
wverflachen) ohne echte Perspektive. Sodann verlie- 
ren die farbigen Valeurs an Tiefe und fügen sich 
optisch eindimensional in die Bildfläche. Schliess: 
lich beherrscht eine grosse Diagonale das Bild- 
geschehen. 
Homogenität aller Form- und Farbelemente sowie 
Dynamisierung im Rhythmus der Schräge werden 
zu den Gestaltungsgrundlagen von Glarners Rela- 
tional Painting. Aber äussern sich nicht in dieser 
Composition suprematistische Gestaltungsprinzi- 
pien? Die Diagonale wäre dann als über den Bild- 
rand hinaus weisende imaginäre Bewegungsbahn 
zu interpretieren, in deren Anziehung das kreis- 
förmige und das rechteckige Element unten im Bild 
schwebend mit fortgezogen werden. In der Tat fing 
Fritz Glarner um 1940 an Bilder zu entwerfen, die 
eindeutig an die Kompositionstechniken der rus- 
sischen Konstruktivisten und des Suprematismus 
von Malewitsch erinnern. Painting von 1941 tritt da- 
für den Beweis an. Was suchte Glarner? 
Betrachtet man ein Werk wie Painting 1941, könnte 
man Glarners Konfrontation mit der russischen 
Avantgarde als Absage an die von ihm bis dahin 
durchstandenen Kunsterfahrungen werten und als 
Absage an seine Flächigkeitsidee der Malerei. Denn 
die Konzeption der Russen beruhte gerade nicht auf 
der Eindimensionalität des Bildfeldes, sondern auf 
der Vorstellung, die Leinwand gewissermassen als 
Sprungbrett für den Höhenflug ins geistige Reich 
der «gegenstandslosen Welt» zu benützen, symboli- 
siert durch den Kosmos der Geometriefiguren. Was 
Glarner offensichtlich faszinierte, waren die Rhyth- 
mus- und Dynamisierungsprobleme des Suprema- 
tismus, maltechnische Kniffe banal ausgedrückt, 
denn Kunstideologien und Kunstphilosophien lager 
seinem Temperament ohnehin nicht. 
Die ersten von Glarner als Relational Painting be- 
zeichneten Bilder, 1941, 1942, 1943 und 1945, setzer 
sich denn auch mit dem Schwebezustand recht- 
eckiger und keilförmiger Farbformen auseinander. 
Frei und unverbunden stehen sie in der weissen 
Bildfläche und gehen mit den ihnen zugeordneten 
schwarzen, waagrecht-senkrechten Balken lose 
Gruppenbeziehungen ein. Noch sprach er von 
einem «undeterminded space)» oder einem <un- 
organized space», den er da erzeugt habe: Relatio- 
nal Painting, Tondo No. 1 von 1944 entspricht diese 
Definition sehr anschaulich mit seinen in der Kreis- 
fläche frei liegenden Elementen. Ein rundes Format 
so zu beherrschen, dass alles caufgeht>, stellt über- 
dies eine kompositionelle Leistung von besonderer 
Schwierigkeitsgrad dar.
	        
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