SAMMLUNG
Das Berichtsjahr wird man als ruhiges bezeichnen dürfen.
Nachdem im Vorjahr die behutsame Adaptation des Erwei-
terungsbaues an gegenwärtige Ansprüche für die Präsenta-
tion moderner Kunst mit der neuen Einrichtung der
Alberto-Giacometti-Stiftung zu einem vorläufigen Ab-
schluss gekommen war, drängten sich grössere Bewe-
zungen nicht nur nicht auf, sondern sie sind nachgerade
kaum mehr möglich. Konnte 1989 noch auf kleine variable
Flächen hingewiesen werden, auf denen im Wechsel ausge-
wählte Gruppen neuerer Schweizer Kunst gezeigt wurden,
so führte die so erfolgreiche Sammlungstätigkeit — vor
allem im Bereich der aktuellen deutschen und amerikani-
schen Kunst — zu einem restlosen Ausschöpfen der räumli-
chen Möglichkeiten mit Beständen, deren künstlerischer
Rang und Bedeutung im Sammlungsganzen eine ständige
Präsenz verlangen. Die Forderung nach einer Erweiterung
wird somit immer dringender; neben der bereits genannten
Schweizer Kunst gibt es weitere Schwerpunkte hoher Qua-
lität, wie die mittelalterlichen Gemälde und Skulpturen, die
ganz zu Unrecht ins Depot verbannt werden müssen. Dies
gilt auch für die Kunst der europäischen Nachkriegszeit,
wie man sich gegenwärtig in dem sonst von Beuys’ «Olive-
stone» belegten Raum überzeugen kann. Als weitere Folge
dieser Platznot müssen immer öfter für Führungen und
Arbeitsgruppen Werke provisorisch in die Schauräume
gebracht werden, was nicht nur arbeitsintensiv und ästhe-
tisch unbefriedigend, sondern auch der Erhaltung und
Sicherheit eher abträglich ist. Ebenso kann der Beanspru-
chung von Sammlungsräumen für Ausstellungen — dieses
Jahr auf Wunsch des Künstlers Thomas Huber besonders
wirkungsvoll im Füssli-Saal und vier angrenzenden
Räumen — kaum mehr mit gutem Gewissen zugestimmt
werden. Dafür wurde im Graphischen Kabinett und dem
anschliessenden Teil des Grossen Ausstellungssaal seit
langem wieder einmal ein Einblick in das künstlerische
Wirken der Gründergeneration der Künstlergesellschaft
gegeben.
Noch dringender als die Erweiterung ist allerdings die
Fortführung der Renovation des Altbaus, die 1991 ins
Stocken geraten ist. Solange diese nicht abgeschlossen ist,
bleiben die Klima- und Lichtverhältnisse, besonders im
ersten Obergeschoss, völlig ungenügend. Die für 1994
bewilligten Kredite betreffen zum Teil baupolizeiliche
Pflichtübungen von geringerer Dringlichkeit als die seit
1983 geplanten Arbeiten, die die erste Renovation des 1910
errichteten Gebäudes bilden sollen.
Unter den Neuzugängen sind an erster Stelle die beiden
Gemälde zu nennen, die Frau Betty Koetser der Betty und
David M. Koetser-Stiftung vermachte. Das hervorragende
Stilleben mit vergoldeter Halsuhr von Pieter Claesz hängt seit
vielen Jahren im Kunsthaus und erfreut sich dank seiner
ungewöhnlichen Strenge gerade in Zürich besonderer
Beliebtheit. Ein weiteres Stilleben von Jan Davidsz de
Heem, das neben den beiden seit 1986 resp. 1992 der Stif-
tung gehörenden Bildern dieses Malers etwas blass wirkte,
wurde den Bestimmungen der Stiftung entsprechend im
Januar 1994 mit Hilfe von Herrn David Henry Koetser, der
die Galerie seines Onkels weiterführt, gegen Bellottos Die
Ruinen der Kreuzkirche in Dresden eingetauscht, die eine ausser-
ordentliche Bereicherung der hervorragenden Sammlung
von Herrn und Frau Koetser bedeutet; die ungewöhnliche
Vedute soll im nächsten Jahresbericht näher gewürdigt
werden.
Das Schicksal fügte es, dass 1993 die Sammlung
Thyssen-Bornemisza in den Besitz des spanischen Staates