Volltext: Jahresbericht 1995 (1995)

ZWEI VIDEOINSTALLATIONEN 
PETER FISCHLI/DAVID WEISS: OHNE TITEL, 1995 
Videoinstallation: 96 Stunden Videoflm, 12 Monitoren 
Inv.-Nr. 1995/29 
Seit 1979 arbeiten die beiden Künstler Peter Fischli 
(*1952) und David Weiss (*1946) zusammen, und seit die- 
sen Anfängen gilt ihr Augenmerk dem Alltäglichen, dem 
unscheinbar Banalen. Es ist ein lustvoller Forschergeist, 
der sie treibt und der uns als stets überraschte Betrachter 
mitzieht in ihre entwaffnende Aufarbeitung der uns 
umgebenden Welt. 
Die erste Zusammenarbeit von Fischli/Weiss geschah 
in Form von Fotografien mit dem Titel «Wurstserie». Zu 
sehen sind Würste, Cervelats und Aufschnitt, aber auch 
Petersilie, Karottenscheiben, Zigarettenkippen, Eierkar- 
tons, Kopfkissen und Käsestücke, allesamt arrangiert, 
belebt, ja beseelt, um dem Kunstbetrachter möglichst 
drastisch die gewichtigen Themen vor Augen zu führen: 
«Der Brand von Uster», «Im Teppichladen», «Die Pavesi- 
Autobahn-Raststätte» oder schlicht «Die Bergwelt». Was 
damals als leichter und provokativer Kunstscherz daher- 
kam, barg schon in aller Insistenz die Hauptaspekte der 
kommenden Arbeiten von Fischli/Weiss in sich. 
Es ist dieser Hang zur Universalität, zum Enzyklopädi- 
schen verbunden mit einer Vorliebe für quere Methodik 
und nicht zu bremsendem Eifer, welche die beiden Künst- 
ler als eine heutige, schweizerische Version von Flauberts 
Bouvard et P&cuchet zu immer neuen gross angelegten 
Abenteuern treibt. Eine ihrer frühen Ausstellungen trug 
den Titel «Plötzlich diese Übersicht» (1981) und bestand 
aus Hunderten von kleinen, ungebrannten Lehmfiguren, 
die Szenen der «Weltgeschichte» festhielten, natürlich ge- 
filtert durch die übereifrige Brille von Menschen, die alles 
etwas zu wörtlich nehmen. Eine Strategie, die geradewegs 
zu den Filmen führt, in welchen sie als Ratte und Bär ver 
kleidet durch die Welt spazieren, während ihnen die klei- 
nen und grossen Weisheiten nur so aus dem Pelz kollern. 
In neuester Zeit widmen sich Fischli/Weiss den bana 
len Gegenständen des Alltags, indem sie diese in dreidi 
mensionaler Trompe-l’ceil-Technik in Polyurethan schnit- 
zen und anschliessend bemalen. Dabei finden Objekte 
wie Autopneus, Yoghurtgläser, Colabüchsen, Bretter, 
Telephone, Radios, Aschenbecher und Gummistiefel ihre 
ungeteilte Aufmerksamkeit. Eine Erkenntnis drängt sich 
auf, die auch für weitere Arbeiten von Fischli/Weiss 
bedeutsam erscheint: so gross auch die Intensität des 
Arbeitseinsatzes ist, so überzeugend die Erscheinung der 
Objekte ausfällt — die Gegenstände sind auf immer ihrer 
Funktionalität beraubt. 
Es ist dieser Abstand zwischen realer Welt und «Kunst: 
welt», der auch der grossen Video-Arbeit von 1995 einge 
schrieben ist, die von der Vereinigung Zürcher Kunst 
freunde (VZK) kürzlich angekauft wurde. Das Werk 
entstand, nachdem Peter Fischli und David Weiss vom 
Bundesamt für Kultur eingeladen worden waren, sich 
anlässlich der Biennale von Venedig 1995 im Schweizer 
Pavillon zu präsentieren. Eine aus rund hundert Stunden 
Filmmaterial und zwölf Videomonitoren bestehende 
Installation war das Ergebnis. Und ein Auftritt als sanfte 
Provokation, die im internationalen Rahmen einiges 
Aufsehen erregte. Denn hier war in aller Schlichtheit und 
aufmerksamen Feierlichkeit «das grosse Gewöhnliche» 
nach Venedig gebracht worden. 
Befreit vom Funktionszwang, ohne Kommentare, ohne 
in den Dienst einer besonderen Dramaturgie gestellt wor- 
den zu sein, laufen die Bilder über den Bildschirm: Wir fah- 
ren auf der Autobahn, wir schauen einem Bauern beim Mel: 
ken zu, unternehmen eine nächtliche Fahrt auf deı 
Schneeschleuder einer Alpenbahn, schlendern im Herbst 
durch den Wald und beobachten die Strassenwischer im 
Blättermeer, das Wollschwein im Stall, den Pizzabäcker im 
Restaurant; wir verbringen viel Zeit in einem Kieswerk, bei 
einem Velorennen, am Flughafen Frankfurt, in der Tierkli- 
nik, besuchen das Schweizer Militär sowie die Disco und be- 
stellen im Aussichtsrestaurant auch einmal eine Meringue.
	        
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