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Alfred Sisley (1830–1899), der von e nglischen Vorfah-
ren abstammte, gehört zusa mmen mit Camille Pis sar-
ro und Cl aude Monet zur ersten Generation der
Impressionisten, die ab 1873 für einige Jahre eng
zusa mmen arbeite ten und ausstellten. Sisleys Kunst
ist ein fester Be s tandteil des Impr es sionis mus zwi-
schen 1870 und der J ahrhundertwen d e und fehlt in
keiner der grossen europäischen und amerikanischen
Sammlungen.
«La route», 1885, ist das hochherzige V ermächtnis
von Marguerite Abraham an das Kunsthaus, ein ausser-
gew öhnlich grosses, eindrucksvolles Bild aus der rei-
fen Zeit Sisleys. Die Bilder der achtziger Jahre sind in
einem Gebiet mit r eicher V eget ation am Zusam men-
fluss von Seine und Loing entstanden. Hier handelt es
sich um ein eher ungewöhnliches Sujet mit einem
ganz in üppiges Grün gebette ten F eldwe g, auf dem ein
Bauer im charakteristischen Kittel und mit der Hacke
über der Schulte r zu sehen ist. Die F arben sind locker
aufgetragen, in rasch gesetzten Pinselstrichen und
einem Spektrum an Grün und Brauntöne n, wobei die
dunkleren P artien in t ypischer M anier in tief en Blau-
schattierungen a usgeführt sind, die den koloristischen
Reiz der Kompos i tion bes timmen. Die genuin impres-
sionis tischen Qualitäte n entfalten sich in der maleri-
schen Gestaltung des Himmels, die das vibrierende
Licht und die frische Atmosphäre eines So mmermor-
gens unvergleichlich erfasst. Das Bild ist ungew öhn-
lich gross; solche Formate verw endete Sisley erst in
den neunziger Jahren häufiger . Wie viele impressionis-
tische Bilder war auch dieses zunächs t im Be sitz der
Galerie von Paul Durand-Rue l in P aris, der sich rastlos
für die jungen Künstler einsetzte, leider nicht immer
ALFRED SISLEY teten Phase in von Holsts Schaffen, in der neben unse-
rer Neuerwerbung auch seine Illustrationen des
R omans «F rankenstein» von Mary Shell ey e ntst anden.
Als von Holst 1844 an Leberversagen s tarb, err egten
sein früher Tod und ein spektakuläres Begräbnis gros-
ses Aufse hen, und William Scott kolportierte, sein
unzeitiger Abgang habe seine r eifersüchtigen und
stets betrogenen Ehefrau e rspart « using the stiletto
she was rumour ed to keep for the purpose». In s einem
verständlicherweise schmalen Gesamtwerk f inden
sich wenige grossformatige Gemälde, und «Bertalda»
gehört zum Besten, das diese r eigenwill i ge Künstler
geschaffen hat. Das Bild des Kunsthauses, das übri-
gens in sehr gutem Zustand ist, mag auf die Zeitge-
nossen einen ähnlichen Effek t wie Füsslis «Nacht-
mahr» (1781) gemacht habe n, der sich am besten mit
dem englischen Wort « se nsation» umschr eiben lässt,
eine angels ächsis c he M ischung aus Neugier, Horror
und fr eundlicher Ante ilnahme . Von Füs sli gibt es eine
Zeichnung von 1820 im Be sitz des Kunsthauses, die
das gleiche Thema zeigt: «Kühleborn erschreckt Ber-
talda», jedoch ist kein Gemä lde mit dem Sujet be kannt.
U nterhaltung auf höchs tem Nive au für ein litera-
risch und küns tl erisch gebildete s Publikum einer
Metropole, das waren die durchaus geschäftstüchti-
gen Ziele vieler Künstler der Zeit, wobei Füsslis Meis-
te rschaft nicht übertroffen wur de. Theodor von Holst
ist ganz der Schül er s eines bewunderten Lehrers,
des sen lite rarische Bildung, motivische E infäll e,
exzentrischer Stil mit seiner sublime n Düs ternis und
nicht zuletzt die erotischen Konno tationen vorbildlic h
wirkte n. Im Gegensatz zu Füssli hat die Kunst des
Nachgeborenen die klas sizistische Härte ganz verl o-
ren, sie ist romantisch bew egt, abschw eifen d und aus-
schweifend wie das ornamentale Gitter, das die Szene
bekrönt – auf dem Weg in das viktorianische Zeitalter.
Chris toph Becker