Bild Nr, 126 Hans Citroen: ,,Das Netz“.
Eine Zusammenstellung verschiedenartigster Kleinigkeiten, wie sie das
Hirn eines jungen Menschen ausfüllen, der von Problemen unbelastet der
Welt gegenüber eine aufnehmende, sammelnde, kaum registrierende Einstel
lung hat. Dazwischen Begriffe, die im Bewußtsein eine große Rolle spielen,
hingegen im wesentlichen noch keine Vorstellung ausmachen und daher so
dargestellt sind, wie sie kennen gelernt wurden z. B. als Zeitungsüber-
schriften. Ueber das ganze ist ein Netz gespannt, das die Leidenschaftlich
keit, mit der all diese Eindrücke gesammelt werden, symbolisiert, und in
dessen Mitte eine Koralle hängt, die wohl zu betrachten ist als Hirn, das
einer Spinne gleich die Welt mit seinen Fäden umklammern möchte.
Bild Nr. 153 Baader: ,,Gutenberggedenkblatt“.
Hier unterläßt es Baader, Kritik oder Symbolik zu schaffen, vielmehr
macht er mit derselben Freude, wie ein Häusler sein Gärtchen abbildet, ein
Blatt, das die Mannigfaltigkeit des Gedruckten und seine Inhaltsmöglich
keiten betont. Auffällig ist die Vereinigung der rein ästhetischen Freude au
den Formen der Schrift mit der Ueberrasclumg, daß das Nebeneinander
solcher Figuren und Buchstaben plötzlich den Ausdruck für die umfang
reichsten und verschiedenartigsten Vorstellungen ergeben kann.
Bild Nr. 62 George Grosz: „Der Sträfling“ Monteur John Heartfield
nach Franz Jungs Versuch ihn auf die Beine zu stellen. 1920.
Das Bild zeigt den Verbrecher weder in menschlich-sentimentaler noch
in bürgerlich moralischer Auffassung, lediglich als vitales Geschöpf. Wir
sehen einen deformierten Körper, dessen Formen ungewöhnliche Energien
vorräte verraten, welche nach allen Richtungen gegen die gleich
gültigen Wände hin anschwellen. Außerdem die einzigen und wesentlichen
Reflexionen: das sind die Vertrautheit mit der Maschine (die ja auch die
Kunst des Verbrechers ausmacht) und der Drang nach guter Nahrung und
Freiheit, der symbolisiert ist durch das über ihm schwebende neue Heim,
in dem gleich ein Wein- und Delikatessenladen eingebaut ist. Menschliche
Fähigkeiten, Verbitterung, Illusionslosigkeit, Neid, Pessimismus und Un-
nachgibigkeit sind im Gesicht in der für Grosz typischen Eindeutigkeit aus
geprägt.
Bild Nr. 118 Rudolf Schlichter: „Verbesserte Bildwerke der Antike —
Venus von Milo“.
Hier zeigt sich am faßlichsten das Verhältnis der Dadaisten zur Antike.
Die Bourgeois, welche dauernd lamentieren, man wolle das Vergangene sinn
los ruinieren oder zertrümmern, mögen hier stehen bleiben und Abbitte tun.
Hat je ein Meier-Gräfe oder Lessing es verstanden, der Antike derart alle
Scheuklappen zu nehmen, d. h. sie gegenwärtig zu machen wie hier Schlichter,
indem er ein Götzenbild, das nur für Altertumsforscher verständlich und
beachtenswert war, mit einem für unser Empfinden menschlichen Kopf ver
sieht und dadurch den ganzen Körper in den Fassungsbereich unserer Sinne
rückt. So mag der Marktwert vernichtet werden, die Plastik hat dadurch
wieder Leben und ihren ursprünglichen sinnlichen Reiz bekommen.
Bild Nr. 40 George Grosz: „Ein Opfer der Gesellschaft.“
Ein großes Fragezeichen liegt vor der Stirn des Mannes. Der Inhalt
der Frage ist abgestorben. Sie ist verblaßt, hat sich niedergelegt und ist
so zu einem gewohnheitsmäßigen Nichtbegreifen geworden, hinter dem das
dumpfe Bewußtsein des Mißgeborenseins den Schädel wie ein Stein belastet.
Die Arme des Mannes hängen schlapp hernieder. Halb aufgerollt liegt ein
Schlauch auf der Schulter: Es ist dem Manne nicht gelungen, sich gänzlich
aufzurollen und zu -pumpen. Diese Enttäuschung erweckt Selbstmordab
sichten: Das offene Rasiermesser sitzt dicht am Halse, aber es bleibt bei
den Absichten, denn wenn auch das eine Auge die Trostlosigkeit des Da
seins durchdringt, das andere schielt ängstlich umher. Der Mann lebt, weil
er nun einmal damit angefangen hat, er fragt sich aber umsonst wozu, und
schlaff hängt .das Rad, mit dem er dies Leben zu durcheilen gedachte, ins
Nichts. Schlaff hängt der Bart über einen Mund, der in seiner Jugend (man
sieht es deutlich) unternehmungsfroh und entschlossen war. Jetzt aber ist
das einst kräftige Kinn schwammig und aufgedunsen. All die Entwicklungs
ansätze sind stecken geblieben, nur die pedantische Gewohnheit blieb übrig,
sich sorgsam zuzuknöpfen —■ „zwar einfach, aber ordentlich“.
Dada-Oz Otto Schmalhausen: „Antwerpen“.
Bevor wir auf die Erläuterungen seiner Bilder eingehen, einige Daten:
Der in Deutschland bei weitem nicht genügend gewürdigte Dada-Oz
einer der frühesten Dadaisten, der in Antwerpen schon vor dem Kriege, als
niemand an Dada dachte, in Zusammenhang mit seiner reklameorganisatori
schen Tätigkeit „dada-works“ konstruierte und in den Ländern der Entente
bald Schule machte, war so freundlich, die Internationale Dadamesse zu
beschicken. Wir lassen einige Zeilen folgen, die das charakteristische
Schaffen des Dada-Oz würdigen.
1—3 Porträts der Veranstalter der Ersten Internationalen Dada-Messe
Berlin 1920
1 Porträt des Dadasophen Raoul Hausmann
2 Porträt des Monteurdada John Heartfield (*)
3 Porträt des Propagandada Marschall G. Grosz
4 George Grosz: Vierundzwanzig Dada-Spiesser besteigen einen Pudding
4a George Grosz: Der Schuldige bleibt unerkannt
5—9 John Heartfield, Raoul Hausmann: Druckbogen aus dem Dadaco (bei
Kurt Wolff Verlag, München) (*)
10—12 John Heartfield: Druckbogen für die „Kleine Grosz-Mappe“ (bei
Der Malik-Verlag, Berlin- Halensce, Kurfürstendamm 76)
Die ersten dadaistischen Druckversuche in Deutschland.
13 John Heartfield: Druckblatt Vorderseite „Neue Jugend, Wochenausgabe“.
Druckblatt der ersten dadaistischen Revue in Deutschland 1917 (bei
Der Malik-Verlag, Berlins siehe auch Saal II No. 99, 150, 151 (*)
Dadaphotos
von John Heartfield
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Bild Nr. 73. Groß-Heartfield /hont,. Korrigiertes Meisterbild
ifex maximus (*)
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14 dadamax Ernst (Köln a. Rhein): dad
15 Hanna Höch-Hausmann: 2 Dadapuppe
16 John Heartfield: dadaistisches Umschiigbild für Programmheft „Schall
und Rauch No. 6 Mai 1920“ und Eada 3 (siehe Originalbild No. 138)
17 Raoul Hausmann: Plakat , Der Malik-Verlag Berlin-Halensee Kurfürsten
damm 76“
18 John Heartfield: (siehe No. 13) (*)
19 Hannchen Hoch: Plakat Ali Baba-Die;e, Berlin
20 Hannchen Hoch: Schnitt mit dem Kuchenmesser Dada durch die letzte
Weimarer Bierbauchkulturepoche Deutschlands
21 Hanna Hoch: Diktatur der Dadaisten (relief)
22 Hanna Hoch: Mechanisches Brautpaar (relief)
23 Johannes Alberts, Berlin-Steglitz: A. Preiss f, der erste wahre unver
geßliche Obermusikdada in seiner pzene „dadaistischer Holzpuppen
tanz“. Aus dem Dadaco (bei Kurt Wolff-Verlag, München)
24 Raoul Hausmann: Dada im gewöhnlichen Leben
25 George Grosz: Germania ohne Hemd
26 Raoul Hausmann: Plakat Dada
27 Raoul Hausmann: Selbstportx'ät des Dadasophen
28 Raoul Hausmann: Tatlin lebt zu Hause (*)
29 Raoul Hausmann: Ein bürgerliches Präcisionsgehirn ruft eine Welt
bewegung hervor. (*)
30 Raoul Hausmann: Industrieller Umsturz im Jahre 1919
31 Raoul Hausmann: Der eiserne Hindenburg 1920 (*)
32 Raoul Hausmann: Schriftkonstruktion aus dem Dadaco (bei Kurt Wolff
Verlag, München)
33 Raoul Hausmann: Ein altes Meisterwerk
34 Raoul Hausmann: Deutsche Freiheit 1920a 1 Aus: „Hurra, Hurra, Hurra!“
35 Raoul Hausmann: Deutsche Freiheit 1920b (*)> Grotesken von R. Hausmann.
36 Raoul Hausmann: Die Schieberger (*) | Der Malik-Verlag, Berlin 1920
37 Raoul Hausmann: Der Kunstreporter
38 Raoul Hausmann: Portrait einer alten Frau (Dr. S. Friedlaender-Mynoud)
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