120
Kurzum: .unsere civilistisch verseuchte Historio
graphie wird sich wohl oder übel daran gewöhnen
müssen, nicht mehr, wie bisher, in Paris und Florenz,
in Köln und Brügge, sondern in Karakorum den
eigentlichen, den wirklichen Sitz der mittelalterlichen
Hochkultur zu sehen.
NAPOLEONS FALL
UNI) DIE HOHENZOLLERNFRAGE
von Gracchus.
(Nummer 49, 29. September 1917.)
Es ist die allgemeine Auffassung, daß Präsident
Wilson (dbiwohl er in keinem offiziellen Aktenstück
diese Forderung mit ausdrücklichen Worten formu
liert hat) die Beseitigung der Hohenzollern als die
eigentliche Friedensbedingung der Alliierten aufstellt.
Diese Forderung findet bei einem (dem vermutlich
größeren) Teile der Menschheit enthusiastische Zu
stimmung, bei dem anderen (weit kleineren, aber zur
zeit zweifellos noch sehr mächtigen) verbissene Ab
lehnung.
Es heißt die Frage in ihrer grundsätzlichen Be
deutung verkennen, wenn man sie in einen Zank über
die Vorzüge und Fehler, Tugenden und Laster des
Hauses Hohenzollern ausarten läßt.
Kur maßlose Ueberschätzung kann den Hohen
zollern im Gluten wie im Bösen eine Art Zentral
stellung im Weltall zuschreiben.
Der Diurehschnittscharakter der Hohenzollern ist
eher der einer nüchternen Mittelmäßigkeit. Für sie
gilt durchaus das — irren wir uns nicht, von Theodor
Fontane stammende — Wort, daß der märkische Sand
weder Heilige noch Ungeheuer hervorgebraeht habe.
Der fränkische Stamm der Hohenzollern hat min
destens ein Musterexemplar von der letzten Art, den
grausen Bauernmörder Markgrafen Casimir, aufzu
weisen. Der märkische Hohenzollernzweig hat, das sei
ruhig zugestanden, keine Nerone und Domitiane
getragen.