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Wenn ein alldeutsches Annexionistenblatt heute in Prosa solche
blutigen Vorschläge zum Friedensschluß machen würde, wäre es am Tage
darauf verboten. —
Diese Verse hier über den erfolgreichen Heerführer:
„Da entstieg, gestützt
Auf seinen Stock, farblosem Vororthaus
Der fahlsten unsrer Städte, ein vergeßner,
Schmuckloser Greis . , . der fand den Rat der Stunde
Und rettete, was die geberdig Lauten
Schließlich zum Abgrundsrand gebracht: das Reich . . .
Doch vor dem schlimmren Feind kann er nicht retten.“
Wer ist nach George der schlimmere Feind? Er sagt: die Menge.
„Menge ist Wert; doch ziellos; schafft kein Sinnbild; hat kein
Gedächtnis.“
Soviel gegen die Demokratie. Man kennt das.
Aber nur eine Entstellung der Wahrheit und ein Hieb zur Entwertung
einer übernationalen Idee:
„Sie troff im Schwatz von Wohlfahrt, Menschlichkeit,
Und hebt nun an das greulichste Gemetzel . . .
Nach Speichel niedrigster Umwerbung: Geifer
Gemeinsten Schimpfs! . . . Und was sich eben hetzt,
Umkröche sich geschmiegt, wenn sich erhöbe
Furchtbar vor ihm das künftige Gesicht.“
Halt. Wer hat Geifer gemeinsten Schimpfs ausgestoßen? Wer hat
gehetzt? Die „Menge“? Wer begann das Gemetzel? Die Menge? Nein,
die „Menge“ troff im „Schwatz“ von Menschlichkeit. Und sie wurde aus
dieser in Wahrheit ganz zart beginnenden Menschlichkeit zum „greulichsten
Gemetzel“ gehetzt, nicht allein durch Geifer gemeinsten Schimpfs, sondern
auch durch Geifer gemeinster Lüge.
Dieser vornehme Seher, der die Menge verachtet, weil sie gehetzt
werden kann, hat an seiner ersten Aufgabe vorbeigelebt, der einzigen Auf
gabe eines Sehers: Die Hetze von der armen, leidenden Menge ab
zuwenden, die Menge zu enthetzen. Und sie Menschlichkeit zu lehren.
Seine Sache ist, doch seine größte bis zum Tode, daß die Lehre von der
Menschlichkeit kein „Schwatz“ wird.