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ßeo Cofstoj:
DER FREMDE UND DER BAUER
Diese mächtigen Worte stellen wohl die letzte, ganz programmatische Klärung
der Ideen Tolstojs dar. Das Äußerste und Unbedingteste wird hier auf beispiel
lose Art mit dem einfachsten und geradesten Ausdruck gesagt.
Der Dialog trägt den Vermerk: „12. Oktober .1909. Jasnaja Poljana“. Er
kam erst im Jahr igiy aus dem Nachlaß in die Öffentlichkeit.
[In einer Bauernhütte.] Der (fremde, ein alter Mann, sitzt auf der
Bank und liest in einem Buch. Der Bauer ist von der Arbeit heimgekehrt,
setzt sich zum Abendessen nieder und bietet dem Reisenden an. Dieser
lehnt ab. Der Bauer ißt. Nach dem Essen steht er auf, betet und setzt
sich zu dem Fremden.
Bauer: Welcher Zufall hat dich hierher verschlagen?
Fremder: [Nimmt die Brille ab, legt das Buch wieder weg.] Es
geht kein Zug mehr, erst morgen geht einer. Auf der Station ist kein
Platz, da fragte ich deine Alte, ob ioh nicht hier übernachten könnte.
Sie ließ mich.
Bauer: Mir ist’s recht.
Fremder: Danke. Nun, wie geht’s hier heutzutage?
Bauer: Wie es geht? Schlecht natürlich.
Fremder: Wie kommt das?
Bauer: Es kommt daher, weil nichts zum Leben da ist. Unser Leben
steht so, wie man’s schlimmer nicht finden kann. Ich zum Beispiel muß
neun Mäuler füttern, und habe im ganzen nur sechs Maß geerntet. Wie
soll man da auskommen? Was bleibt einem andres, wie als Knecht zu
arbeiten. Aber, geht man in Dienst — da sind die Löhne herunterge
schlagen. Die Reichen machen mit uns, was sie wollen. Die Menschen
haben sich vermehrt, aber Land ist nicht hinzugekommen. Nur die Steuern
die werden immer höher. Da zahlt man Pacht, Bezirksgelder, Landsteuer,
Brückensteuer, Versicherung . . . was weiß ich alles — dann kommt noch
der Pope und die Herrschaft. Wer mag, reitet auf uns herum.
F rem der : Und ich dachte, das Bauernvolk lebe heutzutage sehr gut.
Bauer: Wieso gut, wenn man tagelang nichts zu beißen hat?
Fremder: Ich dachte mir das deshalb, weil man ja mit dem Gelde
nur so um sich schmeißt.
Bauer: Mit dem Geld um sich schmeißt? Wie kann man nur so
reden. Wir verhungern schier, und da redet einer vom Schmeißen mit Geld.