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Theodor Bagger
veröffentlichte im Zeit-Echo eine schöne Arbeit: „Das geistige Geschlecht“,
Die gipfelt in den Worten: „Ich bin Geist und liebe!“ Und wer von uns
ist, findet, dass solche Worte gar nicht oft genug und nicht eindringend
genug gesagt werden können. (Darum erschienen sie hier.) Diese Arbeit steht
jetzt in einem kleinen Buch Taggers „Das neue Geschlecht — Programm
schrift gegen die Metapher“ (in diesen Tagen bei Verleger Heinrich Hochstim,
Berlin, erschienen). Die Programmschrift gegen die Metapher, der Hauptteil
der Broschüre, ist ausgezeichnet. Gegen das Bild, für die Tat. Gegen die
Umschreibung für die Unmittelbarkeit. Gegen die Geistausbeuter für die
Geistigen. Gegen die Halben, die Macht-, Erfolg-, Eigentumsmenschen für die
Schöpfer. Gegen die Passiven und zuletzt für die Heiligen, Einfachen, Wirk
lichen. — Das war gut und notwendig. Aber als dieses Buch kam, schrieb
ich gerade gegen Tagger. Er [gibt eine Zeitschrift heraus, den „Marsyas“,
deren Abonnement im Jahr sechshundert Mark kostet oder mehr, und
die durch diesen Preis verdammt ist, auf den Tischen von Schiebergattinnen,
verschwenderisch gewordenen Munitionsvorarbeitern und jungen Schlossherren
zu liegen. Das ist scheussliche Gründerjahrpraxis unserer Zeit!
Eine Frage: „Ich bin Geist“— heisst das: Redakteur des Marsyas? „Ich
liebe“ — meine Leser? An der Spitze der Mitarbeiterliste, die anständige
und üble Leute zeigt, steht der Dichter Hugo von Hofmannsthal, also ein
Mann, der unbedenklichstes Kriegsfeuilleton geschmiert hat. Liebt der Geist
auch ihn?
Hier irrt Tagger. Seine Schriften sind zur Ausrottung dieser Dichters
männer und dieser Leser bestimmt? Es ist zu scherzhaft, der Bibliophilie
unter die Arme zu greifen, wenn man soeben Waffen zu ihrer Vernichtung
verteilt. Ich halte mich an ihre Vernichtung.
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Oem Zeichner Trans Ql\asereef
habe ich Unrecht getan. Ich nannte ihn einen Beschreiber der Ereignisse. Aber
seitdem hat er der Zeitschrift ,,Tablettes“ das Titelbild „Assez!“ gegeben, das
Vorbild für alle Leser und Beschauer, laut und wild gegen den Krieg „Halt!“
zu schreien. Seitdem hat er in der Genfer Zeitung „La Feuille“ Tag um
Tag eine Propagandazeichnung gegen den Krieg, gegen Gemeinheit, gegen
Ungerechtigkeit, gegen Vergewaltigung. Für Menschlichkeit. Für Heilung und
Aufrichtung. Tag um Tag eine aufopfernde Arbeit in zeichnerischen Flug
blättern, die auf Kunstgeniessertum, Schönheitsgetue, Atelier-Parasitentum
verzichten.
Wer das macht, kommt nicht mehr zum Bildermalen, Dem ist klar, dass
heute das im Atelier zusammengepinselte Tafelbild nur Kunstdienerschaft vor
einer sublim angestachelten Kapitalistenzeit ist. Wer einst nur Maler war und
seitdem Mensch geworden ist, der malt keine Bilder mehr, der wirft das
Flugblatt unter das Volk.
Und dieser Frans Masereel, glaube ich, ist ein Mensch.