daß er immer konzentriertere, typischere Fassungen anstrebt.
Darum kehren gewisse Motive in verschiedenen Zeiten bei
ihm wieder. Bei seiner außerordentlichen künstlerischen und
menschlichen Sensibilität — die eine ist ohne die andere nicht
zu denken — tat er sich selten genug. Aber er erlebte die
Genugtuung, daß ihm Lösungen gelangen, die ihn befriedigen
durften: und er stellte doch strenge, hohe künstlerische Forde-
rungen an sich.
Sturzeneggers letztes und höchstes Ziel im figürlichen
Werk war weiter gesteckt als das Ein- und Zweifigurenbild.
Als er mich im Jahr vor seinem Tod zum letztenmal besuchte,
hat er nichts so sehr beklagt, als daß es ihm nicht mehr ver-
gönnt sei, Lösungen — befriedigende Lösungen — für das
Mehrfigurenbild zu finden. Er dachte dabei etwa an eine
Gruppe der Freunde, an eine mehrfigurige Szene in einem Cafe
und Aehnliches. Er verstand darunter aber nicht einfach eine
Anzahl Bildnisfiguren in einem Interieur oder im Freien, viel-
mehr etwas Höheres: eine typische Gestaltung, bei der das
Porträthafte, das individuell Menschliche vor dem allgemein
Menschlichen zurückzutreten hatte. Das Bild der Freunde zum
Beispiel sollte‘ nicht bloß eine Vereinigung von einzelnen
Figuren auf der selben Leinwand werden, sondern mehr,
gewissermaßen eine Verbildlichung der Freundschaft. Auf
meine Frage, ob er denn nie derartige Bilder gemalt habe, ant-
wortete er. er habe solche Motive nur in skizzenhafter Form,
in Entwürfen, in Zeichnungen geben, also mehr nur andeuten,
nie aber in einem ausgeführten Bild realisieren können. Die
Porträtfron, der Zwang, in den letzten eineinhalb Jahrzehnten
aus äußeren Gründen Auftragbildnisse malen zu müssen, habe
ihm die für solche Aufgaben nötige Sammlung und Konzen-
tration verunmöglicht. Später kam als weiterer Grund das
abnehmende Augenlicht hinzu. Man sah es Sturzenegger, wenn
er davon sprach, an, wie sehr er darunter gelitten hat. Aber
wenn er uns auch diese Werke nicht mehr geben konnte, so hat
er uns, hat er die schweizerische Kunst mit vielen anderen
meisterlichen Werken reich beschenkt.
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