Volltext: Gedächtnis-Ausstellung Hans Sturzenegger - 1875 - 1943

daß er immer konzentriertere, typischere Fassungen anstrebt. 
Darum kehren gewisse Motive in verschiedenen Zeiten bei 
ihm wieder. Bei seiner außerordentlichen künstlerischen und 
menschlichen Sensibilität — die eine ist ohne die andere nicht 
zu denken — tat er sich selten genug. Aber er erlebte die 
Genugtuung, daß ihm Lösungen gelangen, die ihn befriedigen 
durften: und er stellte doch strenge, hohe künstlerische Forde- 
rungen an sich. 
Sturzeneggers letztes und höchstes Ziel im figürlichen 
Werk war weiter gesteckt als das Ein- und Zweifigurenbild. 
Als er mich im Jahr vor seinem Tod zum letztenmal besuchte, 
hat er nichts so sehr beklagt, als daß es ihm nicht mehr ver- 
gönnt sei, Lösungen — befriedigende Lösungen — für das 
Mehrfigurenbild zu finden. Er dachte dabei etwa an eine 
Gruppe der Freunde, an eine mehrfigurige Szene in einem Cafe 
und Aehnliches. Er verstand darunter aber nicht einfach eine 
Anzahl Bildnisfiguren in einem Interieur oder im Freien, viel- 
mehr etwas Höheres: eine typische Gestaltung, bei der das 
Porträthafte, das individuell Menschliche vor dem allgemein 
Menschlichen zurückzutreten hatte. Das Bild der Freunde zum 
Beispiel sollte‘ nicht bloß eine Vereinigung von einzelnen 
Figuren auf der selben Leinwand werden, sondern mehr, 
gewissermaßen eine Verbildlichung der Freundschaft. Auf 
meine Frage, ob er denn nie derartige Bilder gemalt habe, ant- 
wortete er. er habe solche Motive nur in skizzenhafter Form, 
in Entwürfen, in Zeichnungen geben, also mehr nur andeuten, 
nie aber in einem ausgeführten Bild realisieren können. Die 
Porträtfron, der Zwang, in den letzten eineinhalb Jahrzehnten 
aus äußeren Gründen Auftragbildnisse malen zu müssen, habe 
ihm die für solche Aufgaben nötige Sammlung und Konzen- 
tration verunmöglicht. Später kam als weiterer Grund das 
abnehmende Augenlicht hinzu. Man sah es Sturzenegger, wenn 
er davon sprach, an, wie sehr er darunter gelitten hat. Aber 
wenn er uns auch diese Werke nicht mehr geben konnte, so hat 
er uns, hat er die schweizerische Kunst mit vielen anderen 
meisterlichen Werken reich beschenkt. 
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