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blühen, scheinbar unabhängig, aber doch nur von der aus den größten Auf
gaben erwachsenen Kraft gespiesen und durchdrungen.
Vor einem solchen Hintergrund heben zu allen Zeiten die Einzelwerke
Munchs sich ab. Die Universitätsbilder sind seit einigen Jahren so gut wie
vollendet, aber im Speisesaal einer großen norwegischen Fabrik wartet heute
ein neuer Lebensfries auf die Ausführung und beherrscht als einzige AuL
gäbe das ganze Denken und Schaffen des Künstlers.
Vor einem solchen Hintergrund stehen auch die jetzt im Kunsthaus
zur Ausstellung vereinigten Bilder. Sie lassen alle die Abhängigkeit von
etwas Gemeinsamem, Stärkerem ahnen und erschöpfen sich, auch ganz für
sich betrachtet, nicht als selbständige Einzelwerke im malerischen Reiz einer
geschmackvoll aufgeteilten farbigen Fläche. Derartige Bescheidung ist ihnen
fremd, es schwingt immer etwas Andersartiges noch mit. Daher erschöpfen
sie vielleicht auch nicht ganz die rein malerischen Möglichkeiten bis zum
allerletzten Rest, die Spannung, die in ihnen lebt, ist nicht einzig die
des vollkommenen farbigen Gewebes. Alle sind Teile eines „Lebens
frieses", in allen ist neben der optischen Leuchtkraft der Farben eine Kraft
anderer Art die wirkliche Herrsdierin. Munch sagt unverhohlen, daß das
Arbeiterbild aus dem Erlebnis in einem Fabrikviertel herausgewachsen sei,
da er die dumpfe Wucht dieser Menschen und Massen gegen sich strömen
gespürt habe,- eine Uferlandschaft nennt er nicht „Strandbild", sondern
„Wellen gegen den Strand", und die „Schiffswerft" heißt bei ihm „das
Schiff wird aufgehauen". Vor dem Winterbild mit den gefällten und
geschälten gelben Stämmen sagt er: „ja, die Bäume bluten",- auf die Frage,
ob er denn nie „absolute" Malerei getrieben und z. B. Stilleben gemacht
hätte: „Ja, in der ,Äpfelzeit', da malte ich auch ein großes Früchtestilleben,
sehr sorgfältig, sehr schön, so gut als irgend ein Cezanneschüler, nur stand
dahinter eine Frau, die eben ihren Mann getötet hatte". Und doch be=
zeichnet er seine Bildnisse und auch die meisten Landschaften und manche
Figurenbilder auch der neuesten Zeit als impressionistisch. Sie entspringen
aber nicht einem optischen sondern einer Art von „dynamischem" Impres
sionismus. Die Bilder leben von der LInmittelbarkeit nicht der rein sinn^
liehen, sondern der „Ausdrucks"^Empfindung nach Bewegung und Kräfte
spiel der Massen im Bilde, und der Wirkung einer aus der Darstellung
heraus auf uns eindringenden aggressiven Energie. Die Malweise mag