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dabei das eine Mal etwas impressionistisch gelockert, das andere Mal etwas
straffer gespannt scheinen, sie ist der Wirkungsabsicbt angepaßt. Wie
jedes Einzelbild auf das Gesamtwerk bezogen ist, so im einzelnen Bild
die Technik auf die besondere Bildidee,- die Reife und Einheitlichkeit der
Gesamtanschauung schließt dabei sinnlose Wildheit und Ziellosigkeit in der
Technik von vornherein aus. Im einzelnen Bilde will überdies der Künstler
den Blick unausweichlich dahin führen, wo er den Kampf ausficht,- er erlaubt
ihm nicht, genießerisch über die ganze Fläche zu gleiten um jede Handbreit
einzig als Malerei <als „absolute" Malerei) auszukosten.
Die graphische Abteilung der Ausstellung geht nahe bis zur Voll*
ständigkeit. Vielleicht ist das Wagnis, eine so reiche Zahl von Drucken im
Rahmen einer zeitlich beschränkten Ausstellung eng gereiht nebeneinander
zu zeigen, fast zu groß. Es steht beim Beschauer, der Versuchung zur
Oberflächlichkeit zu widerstehen und in ruhig eindringender Betrachtung
dem einzelnen Blatt die Aufmerksamkeit zu gönnen, die es verdient, und
die es immer reichlich lohnt. Der Verdacht allzu leichter Produktion fällt
davor zusammen, daß die Ausstellung drei Jahrzehnte umspannt.
Als Munch Radierer wurde, war er schon zwölf Jahre Maler. Der
Sicherheit des Sehens und Empfindens ist die Sicherheit im Gestalten vom
ersten Moment an schon ebenbürtig. Das früheste Blatt, die Bildnisstudie
in kalter Nadel nach einem Herrn Mengelberg in Berlin soll auf dem
Rückweg vom Kaufladen entstanden sein, wo er eben erst Radiernadel
und Kupferplatte erworben hatte,- die letzten Blätter sind wieder wenig
umfangreiche, schlechthin vollendete Kaltnadelarbeiten, In den ersten Jahren
versucht nnd meistert er rasch alle Verfahren der Spezialisten, kalte Nadel,
Roulette, Ätzung, Schabkunst und macht sie auch schon völlig seiner per*
sönlichen Handschrift dienstbar. Es reizt ihn, die neue Sprache an den
Themen des Lebensfrieses zu erproben. Später vereinfacht er Technik und
Vorwurf,- die Radierung wird ihm gewandte, hellsichtige Begleiterin auf
seiner „Wanderschaft", immer bereit zu hastiger, abgekürzter Formulierung
rasch gesehener und empfundener Erlebnisse.
Ein Jahr nach der Radierung errang sich Munch als Ausdrucksmittel
und Kunstform auch die Lithographie. Das Verfahren ist schmiegsamer,
die Wirkung breiter und weicher. Munch zeichnet auf den Stein mit Pinsel
und Stift wie auf großes weißes Papier, Namentlich in Paris, wo er mit