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über den ,Telegraphendraht', wie Flametti zu sagen
pflegte, den andern Fuss nach rückwärts hoch in die
Luft geschlagen, den Japanschirm in gezierter Hand,
hielt sie bedacht die Balance, so heftig schaukelnd
und mit dem Japanschirm schlagend, dass die Petro
leumhängelampen des Herrn Schnepfe in blutiger Ma
jestät sich verfinsterten.
Schon hatte sie die Mitte des Seils erreicht: da
krachte der Boden. Der Eisenträger neigte sich und
das ganze Spektakel, Raffaela im Fliederkostüm, der:
Japanschirm, das vorgeschobene Bein tyid das hoch
geschlagene Bein, fielen auf dem geknickten Telegra
phendraht ineinander.
„Ach Gott, meine Schwester!" schrie Lydia, als
stürzte ein Neubau zusammen, „helft ihr doch! Zieht
sie doch heraus! Ach, ihr lieben Leute, helft ihr doch!"
Es war jedoch nicht viel passiert. Das Seil war
nur ein Meter jachtzig hoch gespannt. Raffaela lag wohl
am Boden, der Schirm daneben. Aber sie schien sich
nur auszuruhen. Abgestürzt war sie aus luftiger Höhe
und dem Publikum bot sich Gelegenheit, ihre Schenkel
zu besehen, wie man eine Schwalbe besieht, die sich
an schwindelnder Kirchturmspitze den Kopf einstiess
und nun plötzlich, den Blicken der Gaffer preisge
geben, ganz nahe am Boden liegt.
Aus dem Schreck kam man nicht mehr heraus.
Immer fiel seit diesem Begebnis Raffaela irgendwo
herunter.
Von der Bühne fiel sie herunter und hätte sich
fast das Bein gebrochen.
Von der Treppe fiel sie herunter; polternd kam
sie angerutscht. Und man musste den Arzt holen.