Volltext: Flametti oder vom Dandysmus der Armen

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kefne Raison annahm! Man hat doch Erziehung! Man 
ist doch kein Schubiack! Man hat doch, zum Teufel, 
die Welt gesehen! 
Herr Häsli hatte indessen gut denken! Er war 
ein Faulenzer, ein Nichtstuer, er hatte sich immer 
nur den Magen gestopft und die Frau schuften lassen. 
Beim Norddeutschen Lloyd war er Steward gewesen. 
In unterschiedliche Phonographen hatte er gejodelt zu 
Berlin und Paris. War auch mal II. Klasse gefahren, 
von Potsdam nach Wien, eines Phonogramms wegen. 
Aber was schon! Das war vor Jahren, als er die 
Stimme noch hatte. Das war vorbei. Jetzt hatte sie, 
Lotte Häsli, ihn durchzuschleppen. Wie ein Lastvieh 
kuranzte er sie. Immer singen und singen. Bei zwanzig 
Grad Kälte in den eiskalten, verschmierten, kleinen 
Hotels. Tagaus, tagein. In Bern: dreissig Nummern 
an einem Sonntag, von nachmittags drei bis nachts 
elf. Sie hatte es durchgemacht. Sie hatte genug. Sie 
kannte die Herren Direktoren. Aus war’s. Sie wollte 
nichts mehr wissen davon. Wenn einer ihr nur in 
die Nähe kam — genügte schon, dass er ein Manns 
kerl war — fuchtig wurde sie. Die Hand weg! Wenn 
man nicht einmal ordentlich zu essen kriegen sollte 
bei solchem Betrieb, ja geschuhriegelt wurde — im 
mer nur singen und singen und etwa noch Schläge — 
lieber den Strick um den Hals! 
Frau Häsli hatte zu essen nicht nachgelassen. Mit 
Messer und Gabel hantierte sie eifrig. Zwei schwarze 
Löckchen fielen ihr zier und adrett, schwarze Bocks 
hörner, leicht in die Stirn. Diese Stirn, eigensinnig, 
gedrungen, von einer kurzen, nur schlecht verheilten 
Narbe gezeichnet, war nicht eben hässlich.
	        
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