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Proben? Jawohl! Aber mit Mass und Ziel. Es
hat keinen Sinn, den Leuten die Lust an der Arbeit
zu nehmen, sie tot zu hetzen mit Proben. Auf die
Eingebung kommt es an. Nicht auf den Drill. Wer
es nicht in den Fingerspitzen hat, der wird es auch
auf der zwanzigsten Probe nicht haben. Man ist doch
nicht beim Kommiss! Artisten sind keine Studier
maschinen. Und wenn schon Proben, dann nicht zuviel
Pünktlichkeit. Pünktlichkeit soll der Teufel holen. Es
muss aus dem Handgelenk kommen, spontan.
Flamettis Proben waren unberechenbar. Wenn eine
angesetzt war, fand sie sicher nicht statt. Wenn eine
stattfand, war sie sicher nicht angesetzt. Das Ganze
blieb mehr der Inspiration, dem persönlichen Einfall
und Zufall belassen.
Extempores? Prachtvoll! Er selbst war ein Extem
pore von Kopf bis zu Fuss. Vielseitig, unberechenbar,
auch in seinem Repertoire. Nur kein festes Programm!
Nichts langweiliger als das. Bei Ferrero hing das
Programm jeden Abend punkt acht beim Kapellmeister
am Klavier. Bei Flametti gab’s überhaupt keines. Oft
wusste er fünf Minuten vor seinem Auftritt noch nicht,
solle er den ,Mann mit der Riesenschnautze' bringen
oder die ,Feuernummer'. Sprudeln muss man: das war
sein oberster Grundsatz.
Auch bei Engagements: Flametti hatte das renom
mierteste Ensemble. Und doch keineswegs die renom
miertesten Kräfte.
Im Gegenteil: darin gerade bestand sein Genie,
dass er verstand, Kräfte zu entdecken, zu finden, ja
aus dem Nichts zu stampfen.