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darin bestand Flamettis Genie, seine Popularität, seine
Magie.
In seinem Ensemble wurden Sprachen gesprochen:
englisch, französisch, dänisch, sogar malayisch. Man
hatte die Welt gesehen. Man hatte sich redlich be
müht und kannte das Leben.
Gefängnis, Skandal, Freudenhaus, Fahnenflucht
waren kein Einwand. Artisten kommen aus einer
anderen Welt. Sind keine Bürger. Aus Unterdrückung
werden Artisten. Wo keine Defekte sind, sind keine
Menschen. Buntheit, Zauber, Exotik: nur aus Ver
zweiflung.
Dementsprechend war auch Flamettis Verhältnis
zu seinen Artisten. Kameradschaft, nicht Abhängigkeit.
Freiheit, nicht Zwang. Vertrauen, keine Verträge.
Gage muss sein: sowieso. Aber was nützte der beste
Vertrag, wenn der Direktor einmal nicht zahlen
konnte?
Hier setzte Flamettis Verlässlichkeit ein. Er war
dann imstande, mit Angeln sein ganzes Ensemble zu
halten. Ein anderer Direktor stellte die Zahlungen ein.
Bei Flametti konnte man aus- und eingehen, auch
wenn man nicht mehr auf seinen Brettern stand. Bei
welch anderem Direktor noch? Was Flametti besass,
gehörte auch seinem Ensemble. Es war nicht sein
Ehrgeiz, Geld zu machen, Bankkonto und dergleichen.
Sein Ehrgeiz war, eine Truppe zu haben.
Kostüme? Machte man selbst. Nummern? Erfand
man sich. Er selbst, Flametti, hatte er nicht aus
einer Robbe ein Seeweibchen gemacht, als Not am
Mann war? Und aus Engel einen Ausbrecherkönig?
Demselben Engel, der Speckschneider gewesen war