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Das Wort und das Bild.
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die vorhandenen Systeme paßt). Das war ein Irrtum. Ist die
natürliche Kindheit und Jugend denn göttlich? Es ist sehr un
wahrscheinlich.
Sodann: wir wollten den Tatsachen zu ihrem Rechte ver
helfen, jenen wie immer gearteten (grausamen, lächerlichen, er
habenen oder entmutigenden) Tatsachen, die in ihrer Gesamt
heit das ,irrationale, das töricht-sublime, das unausschöpfliche
Lebenswunder' ausmachen. Auch hier ist Wahres und Falsches
gemischt. Man muß die Irrationalismen scheiden. Das Über- und
auch das Unvernünftige, beide sind irrational. Auf der Suche
nach dem Leben verfielen wir dem Aberglauben, das Leben selber
sei zu unseren Irrationalismen zu rechnen. Man muß aber das
Natürliche trennen vom Übernatürlichen.
Sogleich erhebt sich die Frage nach den Grenzen. Unsere
Zeit sucht auch das Übernatürliche als ganz natürlich erscheinen
zu lassen. Wo liegen die Garantien des Übernatürlichen? Ich finde
kein anderes Wort als: in der Absonderung; im Verlassen, im
Sichentziehen der Zeit. Man wird dabei übernatürlich, ehe man
sichs versieht. Immer genau hinsehen und kontrollieren, wie man
gerade von dieser Zeit sich abzusondern vermag, ohne das Leben,
die Schönheit, das Unergründliche aufzugeben. So wird man am
besten die Trennung vornehmen.
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24. IX. Das Superlativische hat in Deutschland eine Tradition: bei
Kleist, Wagner und Nietzsche. Auch im orientalischen Judentum;
überhaupt im Judaismus der Deutschen. Seit Rousseau dient die
Sensation dazu, aus dem syllogistischen Kerker der Aufklärung
auszubrechen; die öffentliche Aufmerksamkeit von der Akademie
abzulenken. Kleist ist darüber verunglückt; Nietzsche ebenso.
Wie kann man sich schützen?