Von Gottes- und Menschenrechten.
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soviel Geschlossenheit unseres Denkens, soviel Reinheit haben,
daß wir die ungeordneten, aufdringlichen und brutalen Fakten,
die sich als Geschichte anbieten, gar nicht beachten, sondern
sie dem Vergessen überantworten. Aber wir müßten dann zu
unserer Scham bekennen, daß wir unsere Begriffe von Ordnung
und Vernunft nur aufzuzeigen vermögen, indem wir dartun, wie
es nicht sein soll. Auch würden wir uns, wenn wir streng sein
wollten, sehr rasch einer Einöde gegenüber befinden, die uns ent
weder aus Indifferenz verschmachten, oder aber aus einer Teufelei
ihres aufgebauschten Durchschautseins vernichten ließe.
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Spezifisch katholisch, sagt Unamuno, ist die Immortalisation, 22. VI.
nicht die Rechtfertigung nach protestantischer Art. Der Prote
stantismus neigt dazu, einer konfessionellen Anarchie zu ver
fallen: einer vagen ästhetischen, ethischen oder kulturellen
Religiosität. Die Jenseitigkeit verlischt nach und nach vor der
Diesseitigkeit, und das trotz Kant, der sie retten wollte, sie
aber zerstörte.
Die Ausführungen Unamunos über Tod, Auferstehung und Un
sterblichkeit rücken einen heroischen Katholizismus in die Dis
kussion und führen zurück zur Lehre der ersten Jahrhunderte.
Was er aber über Don Quichote in der zeitgenössischen euro
päischen Tragikomödie sagt, scheint mir bedenklich. So sym
pathisch der Donquichotismus im Roman berührt, so führt er
doch, als Religion betrachtet, zu travestierenden Folgerungen.
Gewiß gibt es eine quichoteske Philosophie. Jeder von uns hat
ihr frei- oder unfreiwillig einmal geopfert. Aber wenn weiter
hin die Philosophie der Gegenreformation, ja diejenige Loyolas
und der Mystiker als quichotesk bezeichnet wird, dann weiß ich
nicht ...
Ball, Die Flucht aus der Zeit. 17