Die Kulisse.
35
Bertoni (im „Reveil“) begeht denselben Fehler wie Landauer. 30. VI.
Er bekämpft Programme statt Charaktere. Man muß in solchen
Zeiten vor allem lebendig sein. Nicht Abstraktionen und Dok
trinen bekämpfen, bei denen sich jeder das Seine denkt und
was vieler unklarer Worte bedarf; sondern die prominenten Per
sonen und Begebenheiten. Ein einzelner Satz genügt, es muß
nicht das ganze System sein.
*
Die Revolution als art pour l’art bestrickt mich nicht. Ich
will wissen, wohin eine Sache führt. Fände ich, daß das Leben
konserviert sein will, um zu bestehen, so wäre ich konservativ.
*
Etwas ist morsch und senil in der Welt. Die wirtschaft
lichen Utopien sind es ebenfalls. Es fehlt eine weitverzweigte
Konspiration der ewigen Jugend, die alles Edle in ihren Schutz
nimmt.
*
Proudhon, der Vater des Anarchismus, scheint auch der erste 1. VII.
gewesen zu sein, der um die stilistischen Konsequenzen wußte.
Ich bin neugierig, etwas von ihm zu lesen. Hat man nämlich
einmal erkannt, daß das Wort die erste Regierung war, so führt
dies zu einem fluktuierenden Stil, der die Dingworte vermeidet
und der Konzentration ausweicht. Die einzelnen Satzteile, ja die
einzelnen Vokabeln und Laute erhalten ihre Autonomie zurück.
Vielleicht ist es der Sprache einmal beschieden, die Absurdität
dieser Doktrin ad oculos zu demonstrieren.
*
Schon der sprachbildende Prozeß wäre sich selbst zu über
lassen. Die Verstandeskritik müßte fallen, Behauptungen wären
vom Übel; ebenso jede bewußte Verteilung der Akzente. Die
Symmetrie würde voraussichtlich unterbleiben, die Harmoni-
3*