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Hund und einen Löffel mit Löffel anredet, vollkommen
unerfindlich. Welche Befriedigung gewährt es, in einigen
Kaffeehäusern in Paris, Berlin und Rom als geistreicher
Mensch verschrien zu sein! Die Literaturgeschichte ist
eine groteske Imitation des Weltgeschehens, und ein
Napoleon unter Literaten ist die tragikomischste Per
sönlichkeit, die man sich denken kann. Tristan Tzara hatte
die Suggestivität des Wortes Dada als einer der Ersten
begriffen. Von nun an arbeitete er unermüdlich als Pro-
pagator eines Wortes, das sich erst spät mit einem Be
griff füllen sollte. Er packte, klebte und adressierte, er
bombardierte die Franzosen und Italiener mit Briefen;
er machte sich langsam zum „Mittelpunkt". Wir wollen
dem „fondateur du Dadaisme“ seinen Ruhm so wenig
nehmen, wie dem „Oberdada" Baader, einem schwä
bischen Pietisten, der, am Rande des Greisenalters den
Dadaismus entdeckte und als dadaistischer Prophet, zur
Freude aller Narren durch die Lande zog. ZurZeit des
Cabaret Voltaire wollten wir „dokumentieren" — wir
brachten die Publikation „Cabaret Voltaire" heraus, ein
Sammelsurium diversester Kunsttendenzen, die uns eben
damals „Dada“ zu sein schienen. Was Dada wirklich werden
konnte, fühlte keiner von uns, da keiner von uns genug
von der Zeit begriffen hatte, um sich so weit jenseits her
gebrachter Anschauungen stellen zu können, daß er einen
Begriff von der Kunst als moralisches und gesellschaft-
lichesPhänomen überhaupt bekam. Kunst war eben da —
es gab Künstler und Bourgeois. Die einen mußte man
lieben, die anderen hassen.
Der Künstler, wie Tzara ihn begriff, war trotz allem etwas
anderes als der deutsche Dichter. Guillaume Apollinaire
behauptete im Scherz, sein Vater sei Portier am Vatikan
gewesen; ich habe ihn im Verdacht, daß er in einem
galizianischen Ghetto geboren worden ist und dann
Franzose wurde, weil er einsah, daß sich in Paris am
besten Literatur machen ließ. Der Literaturmakler ist
nicht die unglücklichste Figur, die die Internationale des