Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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Schwätzt ihr Anderen von weltlitteratur! Schreit euch doch heiser an eurer 
Lotenklage um die geistige Einheit Europas. Erbrecht euch doch an eurer inter 
nationalen Rrafr- und Speifewagenkultur! 
Weltlitteratur macht ihr nicht und machtet ihr nie. Geistige Einheit Europas 
schüfet ihr nie, sie verlangte euch nie, kannte euch nie! 
Internationale Runst heißt nichts weiter, als Zentralisierung des Börsen 
verkehrs, Vereinfachung der Buchungen und Zahlungen durch Postscheckkontos. 
Geht heim, ihr Schreier vom Markt, ihr Duftende von der Scholle, geht 
heim und schweigt! 
Unmögliches Verlangen: Ihr und schweigen. 
Weltlitteratur ist in einer anderen Ebene, als jene Wirklichkeit, in welcher 
heute Weltkrieg ist; und Wirkungen sind nicht von der einen zur anderen Ebene, 
es fei denn, durch das Medium des stillen Menschen, des einzigen Künstlers. 
Der Künstler erlebt den Krieg, nicht ihr. 
Er, wenn ihm befohlen wird, bindet den Krieg in ein Werk, spiegelt ihn 
in einer Schöpfung seiner Kunst, nicht ihr. 
Er vermittelt den Krieg der Nachwelt, nicht ihr. 
Er allein schuf, schafft und wird schaffen, was der Welt zukommt, was 
die Welt braucht, die Welt aufbewahrt, die Welt hinübernimmt, unverändert, 
in die Zukunft, obwohl es ohne Zukunft und Gegenwart gemacht worden ist. 
Er macht weltlitteratur, Weltkunst. Nicht ihr. 
Bildung ist privatfache. Der Bescheidene lernt in der Schule das Beste von 
Jenen, welche die Besten der Anderen waren, was kümmert sich Groß zu Groß 
hinüber um Vermittler und Agenturen für Gesellschaftsreisen! 
wo der Künstler Schöpfer ist, kann er unmöglich Schüler sein. Schüler sind 
Stümper und Verstümmler, wo er Schöpfer ist, wird er Lehrer sein für die 
Bildung der Kunstlicbcnden in allen kommenden Zeiten und unter allen Völkern. 
Still also. warum von den Stillen, den einzig Beträchtlichen, reden? 
Beabsichtigt ihr Heimatkunst, wozu gibt es Leihbibliotheken? Bezweckt ihr 
europäische, oder macht Genossenschafts-Kunst zwischen pol und pol. wozu 
gibt cs Stampfmühlen? 
Mit Krieg, ohne Krieg seid ihr und wäret ihr unwesentlich. 
Die wesentlichen zwar sind wesentlich auch ohne den Krieg. Es ist aber möglich: 
Mit und durch diesen Krieg wird ihr wesentliches sich reinigen, vertiefen; also: 
noch stiller, noch unnahbarer werden. 
Und durch sie kann der Krieg — vielleicht — auch reden, wenn es die Gnade, 
oder die Not, oder sonst ein Anlaß, danach nur Vorwitzige fragen, so will. 
F. A. Schmid Noere 
ISS
	        
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