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sr dem Opfer des Lebens steht größer und schöner da
das Opfer zu leben. Mit sublimem Stolz und ganzer
Demut sich selbst erdulden, je mehr Widersinn und Wider
streit in allem Lebendigen sich in den backen setzt. Das
ideale Opfer, leben und einsam sein, ohne sich zu beugen
und dem Leben abzusagen, reinste Rraft und höchster
Sinn sind da, wo man das Opfer nicht ahnt, wo man
es nicht fühlt, nicht wittert, wo es unverstanden bleibt
und ungewürdigt, und wo es die andern nicht wollen, es nicht können, wollten
sie es schon. Vor dem dauernden Einsatz des Lebens verschrumpft der nur
einmalige Einsatz. Dieser ist nicht die Kostbarkeit des höchstpersönlichen noch
die Seltenheit des geistigen Opfers des Ropfes, der alle überragt, wo er es
dennoch zu fein scheint, da ist er in Absicht und Erfolg doch immer nur ver
tretbar, entselbstet, ja entrechtet, wie mechanisiert. Es ist nur die Erfüllung
einer unvernünftigen aber unentbehrlichen Pflicht, vom Rrieg begehrt. Weil
aber des wunderbaren unverwüstliche Wurzel stets bei dem leidenschaftlich
Empfundenen liegt, des Lebens Uebersinnlichkeit bei dem Todgeweihten, steigen
des Lebens Imponderabilien in die gewagteste aber verzeihlichste Pyramide auf
im Augenblick, da es abzubrechen hat. Der sein Leben opfert, will er nicht
durch das Begrenzte, das er aufgibt, in ein Unbegrenztes aufgehen? Gjbt er
nicht das Letzte hin, ein Ueberletztes zu ergattern? Aber es sind nur die Rranken
im Geist, die Schwachen im Leben, die so ihre Beglaubigung außerhalb ihrer
selbst suchen und das selbst noch im Tode. Das Opfer zu leben nach jenem
Sinn, das Zeitliche auf seinen zeitlosen Ausdruck zu bringen, ist nicht jedem
gegeben. Das Opfer zu leben gibt ab an das Leben, zu dessen Ermittelung
und Verwirklichung es fein eigenes, das einzelne vergängliche Leben verbraucht.
Das Opfer des Lebens ist die Verheißung auf dem Berge Horeb: der alle
verfübrende Ruf, sich über das Unbegreifliche, daß man zu sterben hat, hin-
wcgzuheben, indem man im letzten Augenblick noch sein Leben durch den höchsten
Sinn bewertet, der dem einzelnen Leben überhaupt beigelegt werden kann,
nämlich seine höchste Steigerung zu seinem Untergang, um die Idee des Lebens
zu retten. Höchste Wirklichkeit liegt in dieser Entwirklichung auf dem Sterbe
bett. In seinem Vergänglichsten so fühlt sich der Mensch als Mensch von
geschichtlicher Gewalt. Nichts ist eigennütziger als das Opfer des Lebens, das
durch die Hingabe des einzelnen vergänglichen Lebens eine Eroberung des
ewigen Lebens bezweckt.
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Es ist ein dankbares Heldentum, das Heldentum unsrer Tage, das obenan
steht im Herzen der Menschen, schon da es hinauszieht und ausholt zum ret
tenden Schlag, also lange bevor es in Rraft tritt und sich beweist. Es ist
ein bequemes Heldentum, abgemessen, befristet, das mir derselben sachlichen