des Gebildes ist fixiert. Es besteht zum Teil aus in sich ge-
schlossenen Vierecken. Die Dimensionen der außen liegenden
Rechtecke sind jedoch nicht fixiert, das heißt, man kann sich
diese über den Bildrand hinaus ins Unendliche dehnend vor-
stellen. Dadurch wird das fixierte Zentrum zum Nukleus,
der umgeben ist von unbegrenzten Ausdehnungsmöglich-
keiten. Somit gewinnt jede einzelne Linie eine vollständig
andere Bedeutung, als wenn sie nur materiell, als in ihrer
Länge begrenzter schwarzer Strich verstanden würde. Die
«spitzen» Bilder Mondrians beweisen nun, daß er im Grunde
genau das anstrebte, was ich oben beschreibe, nämlich die
unbegrenzte Ausdehnungsmöglichkeit. Gerade in diesem Prin-
zip des Nukleus, als Ausgangspunkt zu einem ins Unendliche
sich dehnen könnenden Ordnungssystem, liegt die Größe
von Mondrians Leistung und deren zwingende künstlerische
Qualität, die in den «spitzen» Bildern ganz besonders zur
Auswirkung kommt.
Oberflächliche Betrachter haben immer geglaubt, Mon-
drian male Rechtecke, aber was erkennen wir auf seinen
«spitzen» Bildern?
Ein glücklicher Zufall hat es der Zürcher Kunstgesell-
schaft ermöglicht, eines der Hauptwerke von Piet Mondrian,
die Komposition I, aus dem Jahr 1925, zu erwerben, eben
eines seiner «spitzen» Bilder. Und erst die intensive Beschäf-
tigung mit diesem einen Bild und meine Vergleiche mit
andern haben bei mir die oben skizzierte Theorie erhärtet.
Obwohl als horizontal-vertikaler Rhythmus gemalt, auf
einer quadratischen Fläche (von 80x80 cm, an den Seiten
gemessen), gibt es in diesem Werk kein einziges sichtbares
Rechteck, sondern ein Sechseck, zwei Trapezoide und zwei
Dreiecke! Also nur fünf Flächen. Damit ist dieses Bild zu-
gleich eines seiner sparsamsten. (Das Minimum sind bei
Mondrian vier Flächen mit nur schwarzer Struktur auf Weiß:
das Maximum ungefähr 500 Flächen in «New York Boogie-
Woogie» 1942.) Den fünf Flächen stehen fünf Farben gegen-