wesentliche Neuorientierung weiterverfolgte. Das Bild «La vıe secrete»
(Abb. 8) aus dem Jahre 1928 ist somit ein Werk aus der entscheidenden
Schaffenszeit des Künstlers, ein historisch bedeutsames Dokument nicht
nur innerhalb des (Euvres von Magritte, sondern auch für die ganze
surrealistische Bewegung.
Magrittes Kunstauffassungen wurden in wesentlichen Zügen geprägt
durch die Pionierleistungen von Marcel Duchamp und Giorgio de Chirico.
Über den letztgenannten hat Magritte selbst einmal gesagt: «Als erster
träumte Chirico davon, was gemalt werden muß und nicht wze zu malen
ist.» Damit formuliert Magritte in bezug auf den älteren Künstler, was
ihm selbst ein lebenslanges Anliegen ist. Die Art, in der er malt, ist be-
tont schlicht, unauffällig, zuweilen ans gewollt Banale grenzend. In dieser
Hinsicht stimmen malerische Technik und äußerer Lebensstil des Künst-
lers überein, hat er doch in der Maske des bourgeoisen Biedermannes einen
Grad von alltäglicher Unauffälligkeit erreicht, der seinerseits beinahe wie-
der als surrealistische Attitude zu werten ist. Wichtig ist Magritte die
seinen Bildern zugrunde liegende Idee, die es zu visualisieren gilt, und in
dieser Haltung trifft er sich mit Marcel Duchamp. Mit seinen Ready-
mades hat dieser über die Bedeutung des künstlerisch nicht verfremdeten
Objekts in einer verfremdeten Umgebung meditiert. Magritte seinerseits
verformt die in seinen Bildern dargestellten Objekte ebensowenig, stellt
sie jedoch in ungewohnten Zusammenhang, der beim Betrachter einen
nicht weniger großen Schock auslöst, als wenn Duchamp in einer Kunst-
ausstellung das völlig unkünstlerische Objekt ausstellt, das er allein durch
seine Signatur aus der Masse des Gleichgestalteten heraushebt. Im un-
mittelbaren Zusammentreffen des nicht Zusammengehörigen nähert sich
Magritte von allen surrealistischen Malern am stärksten der häufig in
bezug auf den Surrealismus zitierten Definition des Schönen des Comte
de Lautreamont: «schön wie die ungewöhnliche Begegnung einer Näh-
maschine und eines Regenschirmes auf dem Seziertisch». Wobei es frei-