Volltext: Jahresbericht 1975 (1975)

CLAUDE MONET: 
«LE PHARE A HONFLEUR», 1864 
Mit dem 1864 gemalten Seestück « Le Phare 
a Honfleur» wurde das Kunsthaus Zürich 
mit einer jener seltenen frühimpressio- 
nistischen Landschaften beschenkt, die nicht 
nur die auf das Formale hin angelegte 
Kompositionsweise, mit der Monet in seiner 
Frühzeit sein Formenvokabular erarbeitete, 
veranschaulicht, sondern auch die Anfänge 
der impressionistischen Ausdrucksweise 
demonstriert, die sich auf neue Inhalte und 
eine neue Organisation der Bildfläche 
richtete. Die Bedeutung des Bildes ist um so 
grösser, als Monet am Anfang seiner male- 
rischen Laufbahn kaum als Landschafts- 
maler in Erscheinung getreten ist. Sein 
Militärdienst in Algerien 1861 erlaubte ihm 
kaum, künstlerisch zu arbeiten. Darüber 
hinaus hatte er sich bis dahin auch nicht für 
ein bestimmtes Thema, das er besonders zu 
pflegen gedachte, entschieden. (In seinem 
«Catalogue raisonne» von Monets (Euvre 
führt Daniel Wildenstein bis zum Frühling 
1864 eine Folge von 8 Stilleben, aber 
nur 3 Landschaften auf.) Monets frühe 
Landschaften aus Champigny (1860), die 
vielleicht neues Licht auf seine erste 
Auseinandersetzung mit der Landschaft 
werfen könnten, sind verschollen. Erst in 
Fontainebleau begann Monet sich ab 1864 
eindeutig für die Landschaft zu interessieren. 
Zwei Landschaftsmaler unter vielen — 
nämlich Daubigny und Troyon — wurden 
seine Vorbilder. 
Im Mai 1864 kam Monet mit Frederic Bazille 
in Honfleur an. Sie liessen sich im Gut 
Saint-Simeon nieder, einem Treffpunkt der 
damaligen Avantgarde der französischen 
Landschaftsmaler: Diaz, Troyon, Harpignies, 
Jongkind, Boudin, Sisley hatten die Schön- 
heit dieser Landschaft bereits für sich 
entdeckt und wohnten hier. In Honfleur hatte 
Monet sich noch bemüht, ein Blumen- 
stilleben zu malen (Cleveland Museum of 
Art). Bis zum Oktober hin suchte er weiter 
«motifs faciles ä trouver», malte in der Stadt 
(zum Beispiel «La rue de Bavolle»), auf dem 
Lande («La Route de Saint-Simeon»), 
kehrte aber doch immer wieder zum Hafen 
zurück. Diese Liebe teilte er mit Jongkind, 
dem Maler des Meeres, der wie Monet vom 
spezifischen Licht der nordfranzösischen 
Küste gelockt wurde und hier so produktiv 
wie nie zuvor war. Er interessierte sich für 
die fahrenden Schiffe ebenso wie für die 
Kielwasserströmung und beeindruckte Monet 
mit seiner «kunstvollen Spontaneität», 
seiner Begabung, eher intuitiv als reflektierend 
auch die flüchtigsten Impressionen durch 
vibrierend-nuancierte Farbabstufungen zu 
erfassen. Monets Mentor seit 1858, der 
in Honfleur geborene Boudin, war ebenfalls 
dort. Er sprach vom Grau als von einer 
Farbe und liebte den schnellen Lichtwechse! 
eines stürmischen Spätsommers oder eines 
frühherbstlichen Tages. Jongkind und 
Boudin arbeiteten «en pleine mer». Monet 
begegnete hier zum ersten Male einem 
konsequent ausgeübten Pleinairismus, 
zugleich wurde er auch in Komposition und 
Technik durch Boudin angeregt. Monet 
selbst schätzte die Auswirkung dieser 
Künstlerfreundschaft hoch, sie erwies sich 
im Auf und Ab seines Schaffens als die 
Konstante. Von der ständigen Veränderung 
des riesigen ovalen Hafens von Honfleur 
immer wieder herausgefordert, wechselte 
Monet seine Standorte fortwährend und 
suchte neue Aspekte, Formbeziehungen und 
Bildordnungen. Einige Küstenansichten ent- 
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