Volltext: Jahresbericht 1989 (1989)

Alberto Giacometti: «Vivantes cendres, innommees» 
- Eine unbekannte Graphikfolge 
Glückliche Umstände führten dazu, dass die Alberto- 
Giacometti-Stiftung letztes Jahr eine bisher unbekannte, 
nur in sechs Exemplaren vorhandene Graphikfolge von 
Alberto Giacometti als Geschenk der Stadt Zürich entge- 
zennehmen durfte. Die zwischen 1957 und 1960 entstan- 
dene Serie von 52 Radierungen, die in unserer Ausstellung 
und in dem dazu erschienenen Katalog zum ersten Mal 
vollständig präsentiert wurde, steht in Zusammenhang mit 
dem Buch des französischen Dichters Michel Leiris 
«Vivantes cendres, innommees» von 1961 und stellt das 
aussergewöhnliche Zeugnis einer lebenslangen Freund- 
schaft zwischen dem Künstler und dem Dichter dar. 
Michel Leiris hatte die Gedichte dieses Buches 1957-1958 
nach einer tiefen Krise und einem Selbstmordversuch 
während seiner Rekonvaleszenz geschrieben. Giacometti 
besuchte ihn in dieser schweren Zeit regelmässig und 
porträtierte ihn mit zunehmender Besessenheit auf dem 
Krankenlager. Nur die grosse Vertrautheit der beiden 
Freunde erlaubte es, die extreme und existentielle Erfah- 
rung in Bilder zu fassen und ihr eine über das Individuelle 
hinaus gültige Form zu verleihen. Ergänzend zu der 
Graphikfolge zeigten wir einige ebenfalls von dem Bewusst- 
sein des Ineinandergreifens von Tod und Leben geprägte 
Skulpturen Giacomettis. Die Ausstellung, die bei 
Publikum und Fachkollegen auf reges Interesse stiess, wird 
vom Städelschen Kunstinstitut, Frankfurt, und vom 
Gerhard-Marcks-Haus, Bremen, übernommen und 
wandert anschliessend nach Japan. 
Zum freien Tanz, zu reiner Kunst 
Diese in Zusammenarbeit mit der Stiftung für die Photo- 
graphie erarbeitete Ausstellung war dem Leben und den 
pädagogischen Tätigkeiten der zwei wegweisenden Tänze- 
rinnen Suzanne Perrottet und Mary Wigman gewidmet. — 
Mit Photographien, Skizzen, Briefen und Publikationen, 
zum grossen Teil aus dem Nachlass der 1983 verstorbenen 
S. Perrottet, wurde deren langes und vielseitiges kunstpäd- 
agogisches Wirken nachgezeichnet. Die in ihrem Leben 
wichtigsten Begegnungen, allen voran diejenigen mit 
E.J. Dalcroze in Genf und mit Rudolf von Laban in 
Ascona, waren in zahlreichen Dokumenten nachzuer- 
leben. Die Dada-Tanzsoireen in Zürich und Labans 
Sommerkurse des «neuen Tanzes» in der «Tanzfarm» des 
Monte Veritä, aber auch ihre bis ins hohe Alter ausgeübte 
Lehrtätigkeit in rhythmisch-expressiver Gymnastik 
erstanden lebendig durch alte Photographien und Pro- 
gramme. — Mary Wigmans ausdrucksstarke Tänze beleg- 
ten viele, künstlerisch wertvolle Originalphotographien 
aus dem Wigman-Archiv in Berlin und aus den Beständen 
der Stiftung für die Photographie. Zwei Leben, zwei Tänze- 
innen im Dienste der Vision des absoluten Tanzes, der 
inneres Erleben in Harmonie von Körper, Seele und Geist 
ausdrückt: das Gesamtkunstwerk, entwickelt aus dem 
Körper und der tänzerischen Bewegung. 
AUSSTELLUNGEN IM ERDGESCHOSS 
Hermann Scherer 
Holzskulbturen 1924-1926 
Hermann Scherer, der mit Ernst Barlach, Wilhelm Lehm- 
bruck und seinem «Lehrer» Ernst Ludwig Kirchner zu den 
bedeutendsten Bildhauern des Expressionismus gezählt 
werden darf, schuf in der kurzen Zeitspanne von 1924-26 
eine eindrückliche Gruppe von Holzskulpturen, die sich 
vor allem mit zwei Themenkreisen auseinandersetzen: der 
Beziehung zwischen Mutter und Kind sowie der (eroti- 
schen) Beziehung zwischen Mann und Frau. 
Unsere Ausstellung, die zuerst ım Württembergischen 
Kunstverein in Stuttgart gezeigt worden ist, vereinigte zum 
ersten Mal alle überlieferten Holzskulpturen (bis auf ein 
Werk, das sich als Dauerleihgabe im Museum Ludwig, 
Köln, befindet). Eine Auswahl von grossformatigen Holz- 
schnitten, die thematisch mit den teils lebensgrossen 
Skulpturen eng verbunden sind, gab zusätzlich einen 
Einblick in das umfangreiche druckgraphische (Euvre des 
Künstlers.
	        
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