werden und zugleich ein Zeugnis für sein ungewöhnli-
ches künstlerisches U rte ilsvermö gen darste llen . Dies
gilt am en tschie den sten für das Werk von Edgar
De gas, eines der erste n Ölbi lder des V erehrers Ingres’,
nach einem ungewöhnlichen Bild von dessen Lehrer
Louis Davi d, dem Tod des J oseph Barra im Musée
Calvet in Avignon. Die unfe rtig gebliebene D arstel-
lung des sterbenden Knaben, mannhaftes Opfer von
W egelagern, sollt e wie der Tote Marat einen Märtyrer
der Revolution verherrlichen. Die zugleich sinnlich
unmittelbare wie ve rhalten strenge Stilisierung des
Leidens des jugendlich zarten Körpers erscheint der
A uffassung Degas’ unheimlich kongenial. Nicht
undenkbar, dass wir hier eine Inspirationsquelle für
dessen bis heute rätselhaft gebliebenes letztes Histo-
rienbild, die sog. Malheures de la Ville d’Orléans, fassen.
Den Hauptakzent in der kleinen Wohnung an der
W eberstrasse aber setzt en drei Gemälde von Felix
V allotton, einem anderen melancholisch verspäte ten
Klassiker und Bewunderer Ingres’. Aber wie sich Naef
bei diesem auf die Bildnisse konzentrierte, sah er auch
bei V allot ton von den kon struie rten Akten ab. Ein
Interieur und zwei Landschaften, alle drei Extr em-
punkte in ihrer Art, entfalten in offensichtlich beab-
sichtigter Deutlichkeit je eine der drei räumli chen
Dimensionen: der Blick durch das Appartement der
Mme V allotton, auf das wir unten näher eingehen
wollen, die Tiefe, der Felsabsturz bei Bex in einer selbst
für die Nabis penetrant flächig en Komposition die
Höhe und s chli esslich eine rätselhaf te, Chemin dans la
lande genannte Lan dschaft bei Plo umanach die Breite.
Wie Marina Ducrey beobachte te , hat V allott on diese
Gege nd in seinem Roman Corbehaut selbst beschri e-
ben: «Le pays se déroulait à l’infini, bossué, râpe ux et
plein de vent; on voyait entre les petits murs secs on-
duler les luzernes et le jeune blé.» Die gegen den Wind
errichteten Mau ern erscheinen als tief schwarze Bän-
der, die eben so gut Gräben sein könnten; im V e rhält-
nis zu dem merkwürdig organ isch morasti gen Weg
wirken sie schmal, doch die beiden winzigen Breto-
ninnen rechts erweisen sie als bedrohlich mächtig. Die
Reise in die Bretagne erfolgte Ende August 1917
wenige Wochen nach dem B esuch der Schlacht felde r
der Champagne, die V allot ton in erhö hte Spannung
versetzten und in der düster en Stimmung und künst-
lerischen Intensität der bretonischen Lan dschafte n
noch nachklingen. Die Umsetzung der F rontbesichti-
gung in Ge mälde führt e zu neuen Reflexionen über das
V erhältnis zur Abstraktion, die sich in der Heideland-
schaft ebe nso ni ede rschlagen wie in dem kurz dar auf in
Honfleur entstandenen, extrem stilisierten Sonnen-
untergang im K unsthaus.
Frau G isela und Herr Matthias Dalvit schenkten
dem K unsthaus aus dem N achlas s ihres Vaters Oskar
D alvit eine repräsentative Werkgruppe von sechs
Gemälden. Dalvit , der seinen Weg als Künstler in den
dreissiger und vierziger Jahren suchte und dabei nicht
von fo rmalen Positionen, sondern von spezifischen
geistigen Anliegen und A ussagen ausgin g, ge hörte
während Jahrzehnten zu den leisen, aber stets p räsen-
ten Künstlern, die zwischen den modernen Richtun-
gen vermittelten. Bereits die Nächtlich e Landschaft
von 1938 zeigt die Kenntnis sow ohl der geometrischen
wie der surrealistischen Abstraktion, str ebt aber p rimär
nach einem Ausdruck für ein kosmisches A llgefühl, in
das die Än gste und Schrecken der W eltkriegsahnungen
eingeschrieben sind. Die Auseinandersetzung mit
philosophischen und religiösen Strömungen, der
Archetypen-Lehre Jungs, der Mystik Hildegards von
Bingen, mit Dichtern wie Hesse und Ri lke, anderer-
seits mit Klee und Kandinsky führten in den Nach-
kriegsjahren zu dem Höhepunkt einer eigenen
lyrischen Abstrak ti on von zauberhafter Evokations-
kraft und schwebend intensiver Stimmung.
Auch im Bereich der neueren und neuesten Kunst sind
g rosszügi ge Geschenke von Einzelpersonen zu nennen.
Herr Werner M erzbacher finanzierte ein charakteristi-
sches Gemäld e von Bridget Riley, das in seiner subtilen
F arbgebung eine interessante Perspektive neben der
geometrisch-konstruktiven Kunst der Zürcher Kon-
kreten eröffnet. Ebenfalls durft e e rstmals in der
Ausstellung Bilderschatz eine grosse stimmungsvolle
Photographie des Zürichsees von Bustamante gezeigt
werden, die Herr Gustav Zumsteg schenkte. Frau
Mireille W underly legte mit ihrem Fonds für aktu elle 6