Volltext: Jahresbericht 2002 (2002)

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nard Frize (*1954, Abb. 22) ein anderes Vorgehen. Die 
Komposition ents teht aus der Malweise. Mehrere 
F arbschichten formen ein Bild, dessen formale Stren- 
ge vom subtilen Spiel der Farbe überlagert wird, wobei 
die Richtung und Inte nsität des Pinselstrichs sichtbar 
bleibt. Wie hängende Fahnen liegen die quadratischen 
F elder nebeneinander und gruppieren sich durch ihre 
sanft variierten Struktur en und Töne. Bernar d Frize 
zählt schon heute zu den Altme ist ern einer Künstler- 
generation, die über die neuen Str ömungen hinw eg 
das Malen und die Malerei wach gehalten habe n. Der 
Prozess des Malens ist bei Frize   konstitutiv, sodass 
zur Botschaft des Bildes die Wiedergabe seines Her- 
s tell ungsmodus wesentlich mitgehört, ablesbar bis 
zum Malgrund durch dünne, fast transparente Farb- 
schleier aus hochviskoser Lackfarbe, die das kostbare 
perlmuttartig e Schimmern der Oberfläche verurs a- 
chen. Bernard Frize, der mit se iner hochkultivierten 
Malerei gleichsam die Antw ort des Alten Europa auf 
das Action Painting der Amerikaner formuliert hat, gilt 
unter den Jüngeren als einer der wic htigs ten Protago- 
nist en der Kunst mit Farbe und Pinse l. 
Wie wenig die Ka tegorien «gegenständlich» und 
«abs trakt» für die nächst e Generation der Maler rele- 
vant sind, k önnen die Werke von Katharina Grosse, 
Eberhard Havekost und Torben Giehler zeigen. Katha- 
rina Grosses (*1961) Arbeitspr ozes s mit Spr ühpis tol e 
und tiefl euchtenden Lackfarben br ingt grosse Bilder 
mit weit aus schwingenden Formen hervor, deren 
Reflexe den Raum mit farbigem Licht füllen. Ihre 
Arbeit umfasst Installationen und T af elbilder, die mit 
grosser Geste die Malerei feiern und sich schon durch 
ihr Format Platz schaffen . Hingegen ist «Matterhorn» 
von T orben Giehler (*1973) kühle Malerei nach gepixe l- 
ten Vorlagen, grob zerstückelte Natur, die im Malpro- 
zess e benso wieder zusammengefügt wird. Giehler 
beginnt mit farbigen F r eihandzeichnungen, die er mit 
Hilfe der d igital en Fotografie und des Compute rs neu 
k ombiniert und verfremdet und anschliessend in 
Acr ylf arben ums etzt. Das Resultat ist eine Mischung 
aus Gegens tändlichk eit und Abs trahierung, wobei sich 
das Ausgangsmotiv gegen die technischen Arbeits- 
schritte be hauptet und signethaften Chara kter an- 
nimmt. 
Auch Eberhar d Havekost (*1967) treibt ein Ver- 
wirrspiel mit Gegenständlichkeit und abstrakter Form, 
indem er Ausschnitte, sogenannte close-ups, aus 
Kinofilme n und Video s benutzt, um sie in Malerei 
umzusetzen. Die absichtsv oll erschw erte Lesbarkeit 
ist bei dem Bild mit der lapidaren T em p e raturangabe 
«24° C» auf die Spi tze getrieben, zumal auch der Titel 
keine rechte Hilfe ist. Aber in der scheinbar abstrakten 
Komposition wird ein Stück Landschaft sichtbar, von 
dem aus sich das Bild entschlüs selt. Trotz der hyper- 
realistisch-präzisen Malweise ist der Pinselstrich aus 
der Nähe erk ennbar und verleugnet keineswegs die 
handwerkliche Technik. 
«Stadium» von Mario Sala (*1965) ist nach dem 
Prinzip der Colla ge aus einer di gital ve ränderten Foto- 
grafie und Malerei hergestellt, sodass der Begri ff 
übermalte F otografie nur bedingt zutrifft: mit Hilfe der 
Überlagerung verschiedener optischer Ebenen und 
Techniken, von gegens tändlicher Abbildung und ab- 
strakten F ormen bring t Sala narrative Elemente in das 
Bild. Es scheint, als würde eine Geschichte erzählt, die 
von einer anderen überlagert und konterkariert wird 
und ins Leere führt, so als verstumme die Unterhaltung 
nach einem handwerklichen Kommunikationsfehler . 
Sala schaff t gleichsam Ironie mit visuellen Mitteln. 
Der längst anerkannte Pionier unter den Küns t- 
lern, die sich aus schliesslich dem M edium Fotografie 
widmen, kennt die Kompos iti o nspri nzipen des klassi- 
schen T afe lbildes sehr genau und gr eift auf die Kuns t- 
geschichte zur ück. Auf «T attoo s and Shadows» von 
Jeff Wall (*1946), einem für die Sammlung bes onders 
bedeutenden Anka uf der Vereinigung Zür cher Kuns t- 
freunde, geht Tobia Bezzo la in dies em Jahresbericht 
näher ein. Zurzeit fehlen im Kuns thaus ge eignete 
Räume, um diese neuen Werke auszustellen und 
gebührend zu würdigen. Dennoch ist es notwendig, 
dass wir dies es grosse und reichhaltige Gebiet vertieft 
e rkunden. Im nächs ten Jahresbericht werden wir wei- 
tere Erwerbungen vorstellen k önnen. Christoph Becker
	        
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