Volltext: Jahresbericht 2004 (2004)

Seit dem Jahr 2001 befassen wir uns wieder intensiv 
mit der Malerei einer jüngeren Gene ration schweizeri- 
scher und internationa l er Künstlerinnen und Künstler 
im H inblick auf die Wiedereröffnung des Mus eums im 
Herbst 2005. In dies er Zeit ist ein Konvo lut von Bildern 
entstanden, mit dem zwei grosse T e ndenzen der zeit- 
genös sischen Kunst deutlich werden. Zum einen hat 
es in den achtziger und neunziger Jahren eine Reihe 
von Künstlern gegebe n, die sich dem Malen als Pro- 
zess verschrieben haben, zum ander en wird das Medi- 
um zur Wiedergabe des Sichtbaren intensiv genutzt. 
Figurative und narrative T endenz en sind unübers eh- 
bar, und die handwerkliche Perfektion spiel t für viele 
jünger e Künstler eine wic htige Rolle. Neben der 
bedeut enden und breit angelegten Sam mlung von 
Malerei im Kuns thaus haben wir einige sehr bedeu- 
tende Positionen des Plastischen, allen voran A lberto 
Giacometti, ge folgt von Cy Twombly. Es lag also nahe, 
nicht nur neue Bilder, sondern auch neue Skulptur en 
zu erwerben, wenn auch nicht in vergleichbarer Zahl. 
Unsere Wahl fiel auf drei Werke, die mi t einander kor- 
respondieren und den Faden zu den reiferen P ositio- 
nen aufnehme n. 
Berlinde de Bruyckhere, die 1964 in Gent geboren 
wurde und heute dort lebt und arbeitet, steht in einer 
T radition, die bis in die Renaissance zurückreicht. Ihre 
Werke sind f igurativ . Sie geht von menschlichen und 
tierischen Körpern aus, die sie subti l verfremdet, nicht 
im Sinn abstrahierender V ereinfachung, s ondern in 
einer Überzeichnung w ese nhafter Züge. Sie reduziert 
den p hys iol ogischen A nteil auf w enige Parameter, die 
sie überdeutlich he raus arbeitet: die Haut, das Fell, das 
lose Herabhängen von Gliedmassen. Im direkten und 
indirekten Sinn macht de Bruyckhere Präparationen, 
das heisst, sie behandelt eine O berfläche mit der stau- 
nenswerten Perfektion des Tierpräparat ors, zugleich 
aber unterläuft sie das Credo des Handwerks, die 
grösstmögliche Naturnähe . Ihre Plastiken spielen mit 
dem Unvollkommen-Rudimentären und führ en es auf 
eine ander e Ebene der V ollk ommen heit. Es entstehen 
Mischwe se n, die wie das beunruhigende Resultat 
einer Manipulation am gen etischen Ma terial ausse- 
hen. Überras c hung und Erschrecken liegen nahe 
b e ieinander, wobei uns weniger die (fast unausweich- 
liche) Betr offe nheits s emantik des geschundenen 
Lebewesens interessierte als das krude Spiel mit der 
Verschiebung physiologischer Merkmale. Das Werk 
«Speechless Grey Horse », 2004, enthäl t alle Parame- 
ter von de Bruckheres Kunst und ist doch die am 
stärksten den direkten Assoziationen entzogene Plas- 
tik, bei der sich die formalen M erkmal e zu einer küh- 
len Eleganz der Erscheinung s teigern. 
Die beiden anderen Werke gehe n, trotz gewisser 
Ähnlichk eite n, von anderen V oraus s etzungen aus. 
Rebe cca Warren, die 1965 in London geboren wurde, 
arbeitet vorwiegend in einer selbsthärtenden Kuns t- 
stoffmasse, die wie Gips aussieht, und die sie zumeis t 
weiss belässt. Ihre Werke sind plastische Überformun- 
gen eines Kerns , wobei der modellierende Arbeitspro- 
zess deutlich ablesbar ist. «Dark Passage», 2004, zeigt 
eine aufgerichtete Form, die eine As s oziation an eine 
überlebensgrosse Figur zuläs st, die sich im Stech- 
schr itt vorwärts bew egt. Die Aggression dies er expres- 
siven Bewegung wird gebr ochen durch die eigenartig e 
Form des Schuhs, die an Comicf igur en erinnert, und 
durch die Mo ntage auf einer Holzplatte mit Roll en, die 
DREI NEUE SKULPTUREN 79
	        
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