Volltext: Jahresbericht 2009 (2009)

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pe Junge Kunst der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde 
erworbene grosse Arbeit von Lucy Skaer weist schon 
in ihrem Titel «Fabrication» auf die Thematisierung der 
Herstellung: um einen grossen alten Ausziehtisch hän- 
gen Abdrucke der Tischplatte in ihren verschiedenen 
Zuständen und machen die Spuren ihres Gebrauchs 
durch die Jahrhunderte sichtbar. Die komplexere Ins- 
tallation von Pauline Boudry kommt quasi als Schau- 
bude daher, die aussen Bilder der angepriesenen 
«Sensation»,derFraumitBart,zeigt,diesaberinForm 
von Reproduktionen nach Reproduktionen von «Zwi- 
schenstufen» in der «Geschlechterkunde» von Magnus 
Hirschfeld. Oszilliert hier das Dargestellte zwischen 
männlich und weiblich, zwischen Zirkus und Wissen- 
schaft,soder im Innern gezeigteFilm zwischen dem 
in unterschiedlichen Perspektiven gesehenen Gegen- 
standunddemBetrachter.«TheRestlessSubject»von 
Runa Islam projiziert einen Film auf eine doppelseiti- 
ge Projektionsfläche; er zeigt das Funktionieren eines 
altenoptischenApparats,desThaumatrops,indemdie 
getrennten Bilder eines Vogels und eines Käfigs durch 
rasches Drehen virtuell ineinander verschmelzen. 
Der Extremfall der Auflösung ins Performative sind 
schliesslichdieKonzeptevonTinoSehgal,dienurnoch 
aus einer Anleitung an Schauspieler bestehen, die die 
Besucher des Museums unvermittelt mit einem gesti- 
schen Ausbruch überraschen oder wiebei dem ange- 
kauften«Thisisexchange»ineineDiskussionüberdas 
Kunstsystem zu verwickeln suchen. 
Auch dieses Jahr ergaben sich ein paar kleine 
Ergänzungen zur lokalen Sammlung, die unvermittelt 
auftauchen und ohne grossen Aufwand erfrischen- 
de Perspektiven im historischen Bestand öffnen. Das 
Ständlein, das Hirtenkinder derHeiligenFamilieineiner 
italienischen Pergola bringen, zeigt die jugendfrische 
Naivität und Stilsicherheit, die der frühverstorbene Zür- 
cherJohannGeorgSchinzimKreisderNazarenerum 
OverbeckundSchnorrvonCarolsfeldinRomum1820 
erreichte. – Der «Selbstmörder imAtelier»von Niklaus 
Stoecklinhingegenbringtendlicheinederunheimlichen 
SzenendesBaslersinsKunsthausundsetztzugleichin 
derseitlangemgepflegten Reihe von Atelierdarstellun- 
kal begrenzte, symmetrisch verschränkte Farbflächen 
aufgeteilt wird, entwickelte er die Position Richard Paul 
Lohsesweiter.DerbereitsvorhandeneBestandvonvier 
Arbeiten konnte durch fünf weitere Gemälde zu einem 
repräsentativen Querschnitt durch sein Schaffen abge- 
rundetwerden.DieübrigenBildersollenimSinnedes 
Künstlers vorzugsweise an spezialisierte Museen ver- 
äussert werden und so die Ausstrahlung seiner Kunst 
über seine Heimatstadt hinaustragen; der Erlös aber 
zum Ausbau dieser Stilrichtung in unserer Sammlung 
eingesetzt werden. 
Als bedeutendste Bereicherung der Sammlung 
wird man die drei kleinen Gipsskulpturen Alberto Gia- 
comettis bezeichnen, die dank dem Legat von Elisa- 
bethundHansC.BechtlerundeinergrossenSpende 
von Anna und Anton Bucher-Bechtler ausdemNach- 
lassvon Pierre Matisse erworben werden konnten. Es 
sinddreidersehrseltenenGipsoriginale,indenenGia- 
comettivon1938bis1946ineinsamerSucheinParis 
und Genf die Grundlage für sein reifes Werk erarbei- 
tete: der mythische Nullpunkt seines «phänomenologi- 
schen Realismus». Nur indemlichten,nahezuimma- 
teriellen Gips lässt sich sein Bemühen, das plötzliche 
Erscheinen eines Menschen in weiter Ferne zu erfas- 
sen,inderSpannungzwischenderwinzigenFigurund 
dem übergrossen Sockel erleben. Damit konnte die 
letzte wesentliche Lücke in der Abfolge von Werken 
geschlossen werden, die die Entwicklung Albertos von 
den Anfängen des plastischen Schaffens, dem jugendli- 
chenKopfDiegosvon1914,biszuseinenletztenBüsten 
Lotarsin der Sammlung der Stiftung vergegenwärtigen. 
Bei den Ankäufen aus den ordentlichen Mitteln 
standen wie üblich Werke der internationalen aktuellen 
Kunstszene im Vordergrund, wobei sich die Tendenz 
zu installativen Arbeiten mit unterschiedlichen Medien 
weiterhin akzentuierte. Matt Mullican gehörte zu den 
Pionieren semiotischer Parallelwelten; die erworbene 
Arbeit verbindet den Entwurf auf Papier, dessen Ent- 
stehung unter Hypnose ein Videomonitor zeigt, mit der 
gleich grossen und formidentischen Ausführung auf 
Leinwand, die in einer komplizierten Frottage-Technik vonderZeichnungübertragenwurde.DievonderGrup-
	        
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