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Die erwachenden Rosen.
Für K. F.
Die Worte seien Dir ein leichter Hauch
Von fernen Tönen, die wir gerne hören.
Für mich sind sie zu viel, ein müder Strauch
Von weißen Rosen, die mir nicht gehören. —
Weiße Rosen blühen vor meinem Fenster, so weiß und
unberührt wie der Jungschnee, den die Sonne küßt und
tauen läßt, ehe er auch nur einen Tag die Wiesen hat
bedecken können. Weiße Rosen. Sie haben im Sommer ge
blüht. Und nun ist Winter. Aber bald wird der Frühling
kommen und meine Rosen wecken, die dann der Sonne ent
gegenblühen werden in seidigweißer Schönheit.
Mitten in sein Leben hatte sie gegriffen und ihn erfaßt.
Er hatte zwei Leben geführt. Ein Leben in der Wirklichkeit
und ein Traumleben hinter Illusionen, die ihn berauschten.
Dann schlug eine Welle alltäglichen Lebens in seinen Traum,
wie eine Meereswelle voller Tang in das mit Süßwasser ge
füllte Bassin des am Strande spielenden Knaben schlägt und
das klare Wasser schmutzig und trübe macht. Und diese
überkommende Welle trüben, schlammigen Lebens ließ ihn,
der wie ein Schifflein auf klarem und ruhigem Wasser
schwamm, heftig schwanken, und endlich, vollgesogen mit
Schmutz und Schlamm, drohte er zu versinken. —
Da war sie plötzlich in seinem Leben. Ihm war, als sei
sein Leben in der Wirklichkeit nebelfern und verschwommen,
und es versank in einem Meer von Erinnerungen, und leise
nur tönten ferne Töne zu ihm wie das leise Gemurmel einer
fernen Brandung. Dann trat sie in sein Leben, und füllte
es aus, und seine Seele, eine Schale, war voll ihrer Persön
lichkeit, ihrer leise betäubenden Haare, ihrer schmalen,
langen Hände und ihrer kalten Augen, deren Klugheit groß
war, sehr groß. Und dann hatte er alles gegeben, was er
hatte. Seine Seele hatte er ihr gegeben, seine symphonische
Seele. Und hatte alles gegeben und behielt nichts. Und
War doch glücklich! Und ihre Seele — die der Wind
küßt — hatte sich ihm erschlossen, verschämt, wie die
wunderkalten Narzissen ihren Blütenkelch der Sonne öffnen.
Er liebte sie. Wie man eine Mutter, eine frühverstorbene,
liebt. Und hatte ihr alles gegeben und behielt nichts, der