1 Schriftleitung: —
Rudolf Börsch u. jean Jacques.
Vertretung für Oesterreich-Ungarn:
Friedrich Hollaender, Prag.
Künstlerische Ausstattung: Hei-Bar.
Nachdruck nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Viertes Heft. Juli 1914. Erstes Jahr.
Dem Dichter Frank Wedekind!
Aufreizend und unheimlich leuchtet das zerklüftete dichte
rische Antlitz Wedekinds mit der unwahrscheinlichen Grelle
einer Vision in den Trott des Alltags und weckt aus dem'
Halbschlaf.
Er ist Mahner und Prophet, der gehört werden will,
der immer wieder alle herbeiruft, sie zu erschüttern.
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Aus der Dissonanz von Kultur und Willkür, aus dem
Schmerz der Anspannung zwischen diesen beiden Polen
entspringt sein Werk. Weder im Zerreißen noch im Zu
sammenguß findet er Erlösung. Der Kampf zwischen dem
kalten, klugen, berechnenden Menschen und den „wahren,
den schönen, wilden Tieren“ kehrt immer wieder. Aus
seinem Zirkus hetzt er sie in unsere raffinierte Zeit, die
nur noch die überreizten Sensationen gesteigerter Nerven-
anfälle kennt. In diesem Kampf ringt Mensch mit Mensch,
Blut spritzt, und Helden stehen auf.
Wedekind ist etwas anderes als nur eine geniale dichte
rische Persönlichkeit, die sich und unsere Zeit zum Kunst
werk zusammenreißt. Mehr als Flugzeug und Kino ist er
ein Stück des Heute, unzertrennlich mit ihm verschweißt.
Seine Helden, von der naturalistischen Bühne unend
lich weit entfernt, stehen, grotesk und doch unwiderleglich,
dicht vor uns gleich monumentalen Marionetten. Sie haben
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