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bewirkt, schlimmstenfalls aber ist es sogar ein geistiges Armuts
zeugnis mit Auszeichnung. Sie meinen vielleicht: die unumgeh-
bareEntsetzlichkeit des Schondagewesenen. Gewiss, aber auch
Goethe war kaum bei jeder Verrichtung geistvoll, und da die
Scherzfrage, wer der Kaiser von Europa sei, prompt mit ,Die
Phrase' zu beantworten ist, muss eklatant sein, dass unsereiner
die Verpflichtung hat, erfrischend zu wirken. Es strengt doch
wahrhaftig nicht an . . . Endlich, der Leierfritze geht ab . . .
Sie, aber kalt ists da . . . Hm, sagen Sie, kennen Sie, Sie
kennen doch Frau Roller? Nicht? Aber man hat sie Ihnen
doch sicherlich im Cafe gezeigt. Gefällt sie Ihnen? Was?
Klasse, Hochzucht. Entre nous: was von ihr im Cafe kolportiert
wird, ist zweifellos glatt erlogen. Uebrigens, man sollte nicht
glauben, wie friedlich nah Geist und Tratsch neben einander
hausen. Ebenso wie ich fest davon überzeugt bin, dass Ihre
Wirtin Helene heisst, so glaube ich nicht, dass Frau Roller
Prostituierte ist. Ein Frauenzimmer, das chronisch pumpt, lässt
sich nicht bezahlen. Gewiss, sie . . . hoppla ... na ja, das
ist mehr als ein billiges Recht des Weibes, das ist seine schwer
ethische Verpflichtung. Es ist aber gänzlich ausgeschlossen, dass
dieses Weib wahllos ist. Sie fliegt wie alle erstklassigen
Weiber auf den geistig hochwertigen Mann, sollte er auch miss
gestaltet sein. Was freilich fast eine contradictio in adjecto ist.
Nicht ein einziger von diesen eitlen, körperlich lachhaften
Kaffeehaushasen, nicht ein einziger, sage ich Ihnen ... Ich
könnte jeden Schwur dafür brechen! Man braucht doch bloss
hinsehen, wie sie das Weib adorieren! Diese Trottel, diese
kubierten Idioten! Wenn sie ahnten, dass so ein Weib ein tot
sicheres Gefühl für seine eigene Minderwertigkeit hat: je vorbe
haltloser ein Mann es bewundert, desto eher ist es geneigt, ihn
für minderwertig zu halten. Und das Rezept, das richtig dosiert
sogar einen Affen ins Bett der Königin lanzieren könnte, ist doch
gar nicht kompliziert. Im Grund sind alle Weiber seicht. Der
verblüffendste Beweis dafür ist das Erbübel, an dem sie in allen
Nuancen laborieren, die Langeweile. In Parenthese, Unterbeweis:
Vergnügungen können nicht albern genug sein, um nicht das
weibliche Geschlecht am tiefsten zu ergötzen. Man vertreibe
ihnen also die Langeweile. Kenner erreichen bei einer Frau in
einer halben Stunde mit dem blühendsten Biographiekohl mehr
als Oberlehrer mit jahrelanger Mondbenützung. Freilich darf
man die besondern Erfordernisse nicht vergessen, die übrigens
in ganz primitiven Fällen mit der Langeweile zusammenfallen
können. Apropos. Wie halten Sie es denn? Ne jute Jejend,
Balin, wat? Schon erfasst, wie mich dünkt. Geben Sie acht,
mein Lieber, die Lues soll immer noch nicht herzig sein . . .
Oder machen Sie in letzten Dingen? Na ja . . . Hm ... Es