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fektursysteans auf. Zunächst rief er eine „Gendar
merie“ ins Lehen, 'beseitigte die bisher von den Ritter
gutsbesitzern bestallten Landräte und Kreistage und
ernannte an ihrer Stelle sogenannte Kreisdirektoren,
die mit Hilfe der Gendarmerie die Polizei ausüben
und denen der Dorfschulze wie auch der Gutsherr
gleichmäßig untergeordnet sein sollten.
Aber selbst in dieser Zeit der schwersten vaterlän
dischen Not konnten sich die Junker zu keiner Schmä
lerung ihrer gottgegebenen Vorrechte verstehen. Das
sogenannte Gendarmerieedikt war eine Antastung der
junkerlichen Patrimunial obrigkeit und wurde von
ihnen leidenschaftlich bekämpft. Zuletzt blieb von
dieser Reform nur die Gendarmerie selbst übrig.
Nach den Befreiungskriegen.
Die preußischen Siege von 1813 hatten zur Folge,
daß die Sonne fortan jeden Tag freundlicher auf die
ostelbischen Gefilde herunterschien. Preußens „deut
scher Beruf“ war von der Metternichschen Diplomatie
nicht anerkannt worden. Zwar hatte der Staatskanzler
Hardenberg am 22. Mai 1815 jene berühmte „Verord
nung über die zu bildende Repräsentation des Volkes“
erlassen, die Preußen endlich in die Reihe moderner
Staatswesen emporheben sollte. Aber das ostelbische
Junkertum hatte die große Sturm- und Drangperiode
mit einer so geringfügigen Machteinbuße überwunden,
daß es jetzt, wo kein äußerer Feind mehr zu bekämpfen
war, sich ganz wieder als Herr der Situation fühlte.
Jene Verordnung blieb um so mehr toter Buchstabe,
als ja auch der König Friedrich Wilhelm III. von
anderen Königen anderer Zeiten keine Ausnahme
machte, das heißt rein instinktiv gegen jede liberale
Reform war.
Zunächst wurde die bauernbefreiende Agrargesetz
gebung Steins durch die Deklaration vom 29. Mai 1816
verstümmelt. Diese führte jene landwirtschaftliche
Zwangsarbeit (wenigstens für die Kleinbauern) wieder
ein, ohne die das Junkertum nun einmal nicht wirt
schaften konnte.